Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)
klang bockig.
»Mit dem Suffkopf?«
»Nie war mir klarer als heute, was ich zu tun habe.«
»Du weißt doch nur, was du nicht mehr tun willst. Jedenfalls heute Abend.«
»Das ist der erste Schritt, der entscheidende erste Schritt.«
Die Übelkeit würgte ihn, aber sie verflog nach ein paar Metern.
»Du hast dein ganzes Leben darauf hingearbeitet, Historiker zu werden. Aber richtig ist man das erst mit Lehrstuhl. Und davor kneifst du jetzt, vor dem letzten Schritt.«
»Wenn man etwas als falsch erkannt hat, ist es nie zu früh oder zu spät.«
»Du spinnst. Jetzt geh schneller, ich friere.« Sie zog ihn.
»Ein alter Mann ist kein D-Zug.«
»Den kenne ich schon, stammt aus den Sechzigerjahren. Mindestens.«
»Ist aber wahr. Wahres vergeht nicht.«
»Wenn das so weitergeht, suche ich die Nachtapotheke und kauf mir Ohropax.«
»Hab ich zu Hause.«
»Wenigstens etwas.«
Er traf das Haustürschloss wieder nicht. Mit dem Schlüssel in der Hand drehte er sich zu ihr um, die in seinem Rücken gewartet hatte. »Von da oben« – er zeigte auf das Dach des gegenüberliegenden Hauses – »könnte der mich perfekt umnieten. Aber er tut es nicht. Warum tut er es nicht?«
»Komm, schließ auf. Oder gib mir den Schlüssel.« Anne griff nach dem Schlüssel, aber er zog die Hand weg.
»Ich hab dem Bohming gesagt, dass ich am Abend nach Hause fahre. Vor ein paar Tagen. Wann, weiß ich jetzt nicht mehr. Und der wittert, dass wir vielleicht wissen, er war in diesem Internetcafé bei diesem bekloppten Lemmi, mein Gott, ist der bekloppt. Und der Bohming hätte mich abknallen können. Hat er aber nicht getan. Das war ein Test, und er hat ihn bestanden. Oder ist durchgefallen, wie man es sieht. Aber vielleicht weiß er, dass es ein Test war und ist nicht darauf reingefallen?« Er kratzte sich auf dem Nasenrücken. »Das könnte doch sein.«
»Es könnte immer alles sein. Zum Beispiel auch, dass du müde bist und betrunken.«
»In vino veritas.«
»Aber nicht im Raki.«
Er kicherte, brach ab. Fingerte mit dem Schlüssel herum. Traf das Schloss wieder nicht, bis sie ihm endlich den Schlüssel aus der Hand riss. »Es reicht«, sagte sie und schloss auf. Sie schob ihn in den Flur. »Los, die Treppe hoch. Und halt die Klappe, die Nachbarn schlafen.«
»Vielleicht sind es ja die Nachbarn, die mich fertigmachen wollen.«
»Sei ruhig!«
Er hielt sich am Geländer fest, während seine Füße die Stufen suchten.
Sie eilte ihm voraus und schloss die Wohnungstür auf. Als er vor der Tür stehen bleiben wollte, packte sie ihn am Arm und schob ihn in die Wohnung. Sie schloss die Tür ab und sagte: »Puuh! Ab ins Bad, ganz schnell.« Als er sich an die Wohnungstür lehnte, zog sie ihm den Mantel aus, danach die Schuhe. »Halt still«, schnauzte sie ihn an, als er sich bewegte. Jetzt war sie wütend.
Er fuhr zusammen. »Oijoijoi«, sagte er.
»Wie ein Kleinkind.«
»Mit dem Thema fangen wir besser nicht an«, sagte er.
»Irgendwann ist jedes Gespräch mit dir ein Marsch über ein Minenfeld.«
»Der könnte mich natürlich auch in die Luft sprengen.«
»Ins Bad!«
Er versuchte zu salutieren, traf aber das Ohr mit der Hand. Dann ging er auf Socken ins Badezimmer.
Nach einer Weile zerrte sie ihn hinaus und schubste ihn zum Schlafzimmer. Er brummte vor sich hin, wusste aber selbst nicht, was er sagen wollte. Als er im Bett lag, schlief er sofort ein.
Der Kopf dröhnte. Obwohl er die Augen noch geschlossen hatte, blendete ihn Licht. Er linste zur Decke, dann nach allen Seiten. Er war allein. Neben ihm hatte jemand gelegen. Anne. Warum war sie aufgetaucht? Was war los?
Er schloss die Augen wieder und fasste sich mit der Hand an die Stirn. Er hatte zu viel getrunken. Im Ali Baba. Dann war sie gekommen. Überwachte sie ihn?
Er hatte etwas entschieden gestern. Daran konnte er sich erinnern. Stimmt, er hatte sich entschieden, die Uni zu verlassen. Ihr könnt mich alle am Arsch lecken. Er grinste, aber dann stach es im Kopf. Die Uni verlassen. Warum musste man sich erst halb tot saufen, bevor man auf neue Ideen kam? Die besten Ideen kommen einem auf dem Klo oder im Suff. Einen Augenblick überlegte er, was geschehen würde, wenn er sich auf dem Klo betränke. Overkill. Man kann es auch übertreiben. Das Klo erfordert Nüchternheit. Sonst konnte die Aura des Ortes nicht wirken.
Die Tür öffnete sich leise. Anne schaute hinein. Er schloss die Augen, dann blinzelte er. Sie setzte sich auf die Bettkante und nahm seine Hand. Er
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