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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Schmids Augen und freute sich darüber. Ja, diesem Wichtigtuer tat es gut, ein bisschen gequält zu werden. »Was mich jetzt interessiert« – dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, fand Schmid es ungeheuerlich, dass Stachelmann sich für etwas anderes interessierte als der Verleger –, »ist die Frage, wer alles meinen Text gelesen hat oder wenigstens die Möglichkeit dazu hatte.«
    Schmid ließ einen Augenblick den Mund offen stehen. »Ich verstehe den Sinn Ihrer Frage nicht.«
    Wirklich? Du bist eitel, aber nicht dumm. Du begreifst genau, worauf es hinausläuft. Und dein erster Gedanke ist, hoffentlich bleibt der Name des Verlags, der ja mein Name ist, aus dem Spiel. Nie hättest du dich mit diesem Stachelmann einlassen dürfen. Das hat dir wohl Bohming, dieses Großmaul, eingebrockt. Der hatte diese Habilschrift noch nicht mal gelesen, als er sie dir mit wärmsten Worten aufdrängte. Und du hast dich darauf eingelassen. Der Bohming soll ja Beziehungen haben, und wie kommt man sonst an wichtige Autoren, wenn man keinen kennt, der Beziehungen zu denen hat? Das hat der Bohming durchblicken lassen. Und das Einzige, was es dir eingebracht hat, ist Ärger, riesiger Ärger.
    Stachelmann konnte sich gut vorstellen, was im Kopf des Verlegers vor sich ging. Stachelmann erklärte ihm den Grund seiner Frage, und Schmid hing an seinen Lippen, als könnten die etwas verkünden, das ihn binnen Sekunden befreite aus diesem Karussell mit defekter Bremse. Aber Stachelmann konnte dem Mann nicht helfen. Als er fertig war mit seiner Erklärung, nickte Schmid kurz und fast heftig, stand auf und ging ins Vorzimmer.
    Stachelmann stand ebenfalls auf, die steifen Gelenke brauchten Bewegung. Er ging zu einem Beistelltisch, auf dem stand ein Schachspiel, die Figuren aus Elfenbein, das Brett aus Marmor. Dieser Schmid wurde ihm noch unsympathischer. Das Spiel war nicht in der Grundstellung, einige Figuren waren gezogen worden. Stachelmann erinnerte sich vage an diese Stellung, es war eine Variante der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung. Sein Vater hatte sie ihm erklärt, und komischerweise hatte Stachelmann sie sofort erkannt, obwohl er inzwischen nur noch hin und wieder am Computer Schach spielte und meistens verlor. Vermutlich nur, weil ihm diese Verteidigung schon immer exotisch vorkam. Seinem Computerspiel hatte er sie noch nie vorgesetzt, sie öffnete den linken Flügel und verlangte ein Höchstmaß an Konzentration und Ernsthaftigkeit, gerade wenn man gegen ein Programm spielte, das jede Schwäche humorlos ausnutzte. Er setzte die Marmorfiguren zurück in die Grundstellung, dann: Weiß zieht den Bauer von d2 nach d4, Schwarz antwortet mit dem Springer von g8 auf f6, dann c2 nach c4, und der Gegner erwidert e7 nach e6. Weiß setzt nun einen Springer auf c3 und Schwarz einen Läufer auf b4. Er schaute sich die Stellung an. Ja, so war es richtig. Die Figuren kamen ihm klebrig vor. Und dann weiter mit dem Sämisch-System, dem Versuch einer Widerlegung der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung durch ein schlichtes Vorschieben des weißen Bauern a2 nach a3. Es folgt der Tausch schwarzer Läufer gegen weißen Springer, was Weiß den Vorteil einbringt, nun allein mit dem Läuferpaar arbeiten zu können, und den Nachteil eines Doppelbauern, der außerdem nicht einfach zu decken ist.
    Stachelmann hatte die Tür nicht gehört. Er erschrak, als Schmid neben ihm stand. Der schaute Stachelmann finster an, zeigte auf das Brett, öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Stachelmann fiel auf, der Mann war parfümiert, und auf seiner Halbglatze, die in sanft gewelltes schwarzes Haar überging, standen Schweißperlen. Dann sagte er: »Sie haben die Stellung zerstört.«
    »Nein, nein«, sagte Stachelmann. Er setzte die Figuren wieder so, wie sie gestanden hatten. »Die Nimzowitsch-Indische Verteidigung, ich habe sie nur durchgespielt und ein klein wenig fortgesetzt.«
    »Das Sämisch-System«, sagte Schmid. »Ein bisschen antiquiert vielleicht. Längst zieht man ja die Rubinstein-Variante vor, wenn man sich schon auf Nimzowitsch einlässt.«
    Der Mann kennt sich aus, viel mehr als du. Aber du bist nicht hergekommen, um Schach zu spielen. Schon gar nicht mit diesem Fatzke. Wie peinlich wäre es, du würdest gegen ihn spielen und verlieren. Nein, wir haben hier ein anderes Spiel, nennen wir es »Leben oder Tod«. Und du, Verleger Schmid, sagst, ich hätte eine Stellung zerstört, die du doch binnen Sekunden wiederherstellen könntest. Du würdest mir so

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