Luegen auf Albanisch
zum Türknauf, aber Alvo sagte: »Nach dir.« Es gab einen Stau, fast ein Gerempel, als die beiden Männer zurücktraten und erst Lula und dann Alvo durchließen.
»Albanische Höhlenmenschen«, murmelte Alvo. Während Lula in ihrer Handtasche nach den Schlüsseln kramte, ging Kapuzenshirt mit raschen Schritten voraus, bis Alvo sagte: »Hör auf mit dem Scheiß«, und Kapuzenshirt unter dem Maulbeerbaum wartete, wo sich ihm Ledermantel anschloss.
Alvo sagte: »Neandertaler. Sie glauben immer noch, Frauen sollten fünf Schritte hinter ihnen gehen. Wie meine Oma, möge sie in Frieden ruhen. Fünfzig Jahre hat sie den Staub meines Großvaters geschluckt.«
»Meine Oma auch«, sagte Lula. »Meine Schlüssel sind irgendwo hier drin.« Fragte sich Alvo, warum sie die Tür abschloss, wenn Kerle wie er hineinspazieren und duschen konnten, wann immer es ihnen in den Sinn kam?
»Unser Freund Spiro«, sagte Alvo, »der hat diese albanische Powerfrau gefunden, mit Abschluss von der Columbia Business-School, kein Mensch wollte glauben, dass so ein intelligentes Mädchen Spiro heiraten würde. Aber Frauen spinnen eben, schätze ich. Die beiden verloben sich, fliegen zu seiner Familie nach Toronto, und er bittet sie, hinter ihm das Haus zu betreten. Nur dieses eine Mal. Also tritt das Mädchen hinter Spiro, zieht ihre Neunhundert-Dollar-Manolo-Blahniks aus und haut ihm den Stöckelabsatz so fest auf den Schädel, dass er blutet wie ein Schwein.«
»Schätze, damit war die Verlobung gelöst«, sagte Lula.
»Sie sind verheiratet! Inzwischen halten sie Händchen. Sie arbeiten beide an der Wall Street. Das moderne albanische Paar. Meine Oma hätte das auch tun sollen. Sie hatte nur nicht die richtigen Schuhe.«
»Ich habe die Schlüssel gefunden!«, trällerte Lula. Alvo achtete darauf, neben ihr zu gehen und nicht vorauszueilen, ein positives Zeichen für das Umdenken südosteuropäischer Männer. Dass Lula das überhaupt bemerken – und schätzen – sollte, war deprimierend. Aber in gewisser Weise auch tröstlich. Es gefiel ihr, mit jemandem zusammen zu sein, der wusste, wie es war, tagtäglich deine geniale Oma hinter deinem spatzenhirnigen Opa hertappen zu sehen. Unter Fremden zu leben, mit denen du keine gemeinsame Geschichte hattest, kein gemeinsames Wissen um uralte Lebensweisen, war verdammt hart.
Auf halbem Weg zum Auto streckte Alvo den Arm aus. »Lass die beiden zuerst einsteigen.«
»Falls das Auto in die Luft fliegt?«
Mit einem milden Lächeln ging Alvo darüber hinweg, dass sie seine Machohöflichkeit nicht zu würdigen wusste, die nur dafür sorgen sollte, dass das Fahrzeug für die Dame angewärmt war. Hinter dem Grinsen lauerte eine Frage: Warum war Lula so nervös? Lulas Lächeln besagte: Aus keinem bestimmten Grund. Wirklich, absolut grundlos.
Alvo öffnete ihr den Wagenschlag, und Lula stieg ein. Auf dem Armaturenbrett war ein Bildschirm angebracht, und als Ledermantel vom Bordsteig wegfuhr, imitierte ein blinkender violetter Zeiger alles, was sie taten. Aus den Lautsprechern dröhnte albanischer Hip-Hop.
»Welche Band ist das?«, fragte Lula.
» Keep It Bloody «, sagte Kapuzenshirt. »Kennst du die?«
»Kann schon sein«, sagte Lula. Egal in welcher Sprache, diese Kerle brüllten doch immer nur davon, wie taff sie waren. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die Arschlöcher, denen diese Kerle in den Hintern treten wollten, Serben waren.
»Kann schon sein?«, sagte Kapuzenshirt. »Entweder kennst du sie, oder du kennst sie nicht.«
»Lass gut sein, Knallkopp«, sagte Alvo.
Lula sagte: »Ein paar Typen wie ihr in einem Lexus mit dunklen Scheiben, und ihr lasst diese Musik laufen, so laut? Wie oft müsst ihr rechts ranfahren?«
»Gute Frage«, meinte Alvo. »Mir gefällt, wie dieses Mädchen denkt.«
Ledermantel sagte: »Nie. Die Bullerei in New Jersey ist klug genug, uns nicht an den Karren zu pinkeln.« Er nahm die hübschesten Straßen, vorbei an Villen mit weißen Säulen und Backsteinverkleidungen, überzogen von welkem Efeu. Sie schwebten so hoch über der Straße, dass sie auch in einem Ballon hätten sein können. Lula berührte einen Knopf, und ihr Fenster glitt mit einem Schwall kalter Luft herunter, gewürzt mit dem Geruch nach vermodertem Laub.
Ledermantel bog in eine Einkaufszeile ab und parkte vor einem Supermarkt mit handgeschriebenen Schildern im Schaufenster.
»Brauchst du was?«, fragte Alvo.
»Nein, danke«, sagte Lula.
»Willst du mit reinkommen?«, fragte
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