Luegen auf Albanisch
hat. Schließlich hat uns Mom eines Abends zum Laden geschickt, um Spülmittel und Waschpulver zu holen, und als wir nach Hause kamen, war sie nicht mehr da. Sie muss gewusst haben, das The Good Earth am Weihnachtsabend geschlossen hat, da bin ich mir ziemlich sicher. Wir mussten zu Shopwell fahren, aber die hatten auch zu. Das verschaffte ihr mehr Zeit zum Abhauen. Sie hat ihren Pass und einen großen Koffer mitgenommen. Mag sein, dass sie gaga war, aber sie war klar genug, sich einen fetten Scheck auf das gemeinsame Konto meiner Eltern auszustellen. Am Weihnachtsabend, hab ich das schon erwähnt?«
»Hast du«, sagte Lula. »Woher weißt du von dem Scheck?«
»Ich hab gehört, wie Dad das Don erzählt hat«, erwiderte Zeke. »Am Weihnachtsabend. Wirklich nett. Ich wollte die Cops anrufen, aber Dad sagte, warten wir erst mal eine Woche ab. Er sagte, genau das würde die Polizei auch sagen. Und prompt bekamen wir eine Woche später diese Postkarte von den norwegischen Gletschern.«
Lula fragte: »Fehlt sie dir?«
»Ich glaube, mir fehlt das Gefühl aus der Zeit, bevor sie krank wurde. Dad sagt, sie hat eine Krankheit.«
»Klingt wie eine.« Lula versuchte sich daran zu erinnern, was auf der Karte stand, die Zeke in der Hand hielt. »Verschmutzt« war groß geschrieben, dessen war sie sich ziemlich sicher. »Glaubst du, dass sie jetzt glücklicher ist als vor ihrem Weggang? Oder weniger wütend, wie dein Dad sagt?«
»Ich glaube, sie hat einen ganz schönen Knacks.«
»Einen Knacks kann man leimen«, sagte Lula.
»Bei manchen ja, bei manchen nicht«, sagte Zeke.
»Jetzt klingst du wie ich«, sagte Lula.
Am Abend, als Mister Stanley sie fragte, wie es Zeke gehe, erzählte sie ihm, er habe eine Postkarte von seiner Mutter bekommen.
»Was stand drauf?«
»Da stand drauf, dass Zeke vielleicht im Westen aufs College gehen könnte, wo sie ist.«
»Das kann sie sich abschminken«, sagte Mister Stanley.
»Das hat Zeke auch gesagt.«
»Gut.« Ohne Lula anzusehen, glitt Mister Stanley vom Kühlschrank zum Fenster und starrte in die Dunkelheit.
Nach einer Weile sagte er: »Wissen Sie, es gibt da Bilder, von denen man sich wirklich wünscht, man könnte sie aus dem Gedächtnis streichen. Das Problem ist nur, dass sie alle anderen Bilder verdrängen, die guten Bilder, die Erinnerungen an die Zeit, als man jung und glücklich war. Oder zumindest an die Zeit, als man jung war. Daher muss man auch glücklich gewesen sein. Wissen Sie, dass Ginger Zweitklässler unterrichtete und, obwohl ich sie gebeten hatte, es nicht zu tun, damit aufhörte, um sich um Zeke zu kümmern? Wissen Sie, dass Ginger einst eine Schönheit und ein liebevoller Mensch war?«
Lula schüttelte den Kopf. Sie fragte nicht danach, wie diese Bilder in Mister Stanleys Kopf aussahen, die guten oder die schlechten. Sie dachte daran, wie Zekes Lippe gezittert hatte, als er den Ausdruck seiner Mutter nachzuahmen versuchte, und wie er gesagt hatte, ihm fehle das Gefühl aus der Zeit, bevor sie krank wurde.
Sie sagte: »Jung bedeutet nicht immer glücklich.«
Mister Stanley sagte: »Das vergisst man manchmal. Vielen Dank. Gute Nacht, Lula.«
Am nächsten Morgen hielt der schwarze Lexus am Bürgersteig. Zum Teil aus Nervosität und zum Teil aus Aberglauben stellte sich Lula blitzschnell diverse enttäuschende Szenarien vor, angefangen damit, dass es irgendein anderer Lexus war – unwahrscheinlich! –, bis hin zu der Szene, in der Alvo im Auto wartete, während Kapuzenshirt und Ledermantel, Guri und Genti, ins Haus kamen und die Waffe zurückforderten.
Alvo und die G-Men schlenderten den Pfad herauf. Lula strich glättend über Pullover und Rock. Seit dem ersten Besuch hatte sie sich angewöhnt, Make-up zu tragen. Sie rannte nach unten und wartete dann mit dem Türöffnen, bis sie dreimal geklingelt hatten. Kapuzenshirt und Ledermantel schüttelten ihr die Hand. Alvo gab ihr einen brüderlichen Kuss auf beide Wangen. Er roch nach Rauch und Meeressand.
Sie sagte: »Soll ich euch Kaffee machen?«
Die beiden blickten zu Alvo, bis der nickte.
»Bitte«, sagte sie. »Raucht diesmal nicht.«
»Wir haben gerade im Auto geraucht«, sagte Kapuzenshirt.
In der Küche ließ Lula sich Zeit, den schlammigen Kaffee aufzubrühen. Sie bedankten sich, dann fragte Ledermantel: »Keiner hier raucht? Keiner in diesem Haus isst oder schläft oder atmet oder fickt? Oder furzt?«
Lula antwortete: »Sie essen und schlafen und atmen. Nein, warte. Ich weiß nicht, ob der
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