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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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Balkans sein.«
    »Brauchst du es?«, fragte Lula.
    »Nicht, als ich das letzte Mal nachgeschaut habe«, sagte Alvo.
    Lula sah Suchscheinwerfer den Himmel über einem industriellen Ödland abtasten, Leuchtfeuer, um sie zur sicheren Landung vor einem einstöckigen Gebäude zu führen. In roten, grünen und silbernen Leuchtbuchstaben war »Fröhliche Weihnachten, gutes neues Jahr« darauf zu lesen. Eine weitere Lichterkette umrahmte einen doppelköpfigen Adler über der Tür.
    »Von dem Club hier hab ich schon gehört«, sagte Lula.
    »Wer nicht«, sagte Alvo.
    Zwei Männer mit Fliege stürzten sich auf die Türen des Lexus, aber Alvo winkte sie fort, bis er und Lula ausgestiegen waren und er ihnen die Schlüssel überließ.
    »Parkservice ist scheiße«, sagte Alvo. »Einen Fremden dafür zu bezahlen, deine Sitze und Spiegel zu verstellen. Aber in dieser Gegend brauchst du jemanden, der dem Junkie die Kniescheibe zerschmettert, bevor er für das Kleingeld zwischen den Sitzpolstern die Windschutzscheibe einschlägt.«
    Ein Trupp riesiger Türsteher bewachte den Eingang, überprüfte Ausweise und verströmte Bedrohlichkeit. Einer von ihnen erkannte Alvo und machte einen Weg frei, über den Alvo Lula führte, ein Spießrutenlaufen von Boxhieben in den Arm und Schlägen auf die Schulter, die Alvo gutmütig über sich ergehen ließ, während sich Lula dem schwindelerregenden Rausch der Besonderheit und Privilegiertheit hingab. Mit welchen anderen Mädchen war Alvo schon hier gewesen? Fast verdarb es ihr die gute Laune, an Alvos Leben vor ihr zu denken.
    Lula sah, dass einer der Wachmänner ein Mädchen auf Armeslänge von sich hielt und darüber lachte, wie sie mit den Armen fuchtelte und ihre Fäuste von seiner vorgereckten Brust abprallten.
    »Du spuckst mich an?«, fragte er. »Gehört sich das für ein nettes albanisches Mädchen?«
    Das Mädchen an der Garderobe musterte Lula eingehend, um zu erkunden, wie sie sich Alvo gekrallt hatte. Durch reinste Chemie, hätte Lula ihr am liebsten weisgemacht. Aus irgendeinem Grund musste sie daran denken, dass Savitra sie gefragt hatte, ob sie mit Don Settebello geschlafen habe. Was wusste Lula denn schon von Alvos Vergangenheit? Sie wusste ja noch nicht mal etwas über seine Gegenwart.
    Lärm brandete über sie herein und verscheuchte diese Gedanken aus Lulas Kopf. Als Alvo sie in die Menge führte, fiel Lula ein, warum dieses Gefühl – zu viele Menschen, zu viel Krach, nicht genug Sauerstoff, nicht genug Platz, ein Trommelfeuer intensiver Gefühle, die das Herz und den Bauch bombardierten – etwas durchaus Wünschenswertes war. Funken flogen von Körper zu Körper, jeder Körper in einer Blase und sich doch paradoxerweise überdeutlich aller anderen Körper in der Nähe bewusst. Eine stark abgeschwächte, aber trotzdem erregende Version der wortlosen Sprache zweier Körper, die miteinander ins Bett gehen wollen.
    Als sie sich von der Tür entfernten, wurde es weniger eng, und die Tanzfläche machte tatsächlich den verlorenen Eindruck einer Hochzeitsfeier, bevor die Party losgeht. Ein unsichtbarer DJ brüllte: »Jetzt mal was Langsames!«, als wäre es nicht schon langsam genug, und ein einsamer Sänger sang schmachtend eine Ballade. Einige Paare, frisch verheiratet oder frisch verlobt, tanzten eng umschlungen, halb verzückt und halb bemüht, die Welt und sich selbst von ihrer leidenschaftlichen gemeinsamen Zukunft zu überzeugen.
    »Trinken wir was.« Alvo las schon wieder Lulas Gedanken. Er fand eine leere Ecke und bat Lula zu warten. Er hatte vergessen, sie zu fragen, was sie trinken wollte. Oder vielleicht war das ein Machoding, durch und durch Höhlenmensch und Bronx. Man bestellte nicht nur für seine Begleiterin, man sagte ihr auch, was sie mochte.
    Alvo verschwand in der von Strobolicht durchschnittenen Dunkelheit. Und wenn er nun nicht wiederkam? Wie lange sollte Lula warten, bis sie sich ein Taxi rief? Hier standen genug Typen allein rum. Sie konnte tanzen, ihren Spaß haben, vielleicht sogar einen anderen Typen finden, der sie nach Hause brachte. Aber sie wollte keinen von ihnen kennenlernen. Sie wollte mit Alvo zusammen sein. Das würde er ihr am Weihnachtsabend nicht antun. Niemand würde so tief sinken. Niemand, hieß das, bis auf Ginger.
    Schließlich entdeckte sie Alvo, der federnden Schrittes mit zwei Schnapsgläsern auf sie zukam. »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Ich hab da diesen verrückten Kerl getroffen, der einen Mordsstreit anfangen

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