Luegen auf Albanisch
und liebte! Dunia huschte von Theke zu Theke, sprühte Parfüm auf Papierquadrate und schrieb mit einem Bleistiftstummel die Namen der Düfte auf, bis sie die Auswahl auf drei bis vier Quadrate reduziert hatte. In welcher exklusiven Schule für reiche Mädchen hatte Dunia das gelernt?
»Riech da dran. Aber denk an den Kerl.«
»Allmählich riechen die alle gleich«, sagte Lula.
»Mein Gott, du bist ein hoffnungsloser Fall.« Dunia küsste Lula auf die Wange. Die Parfümverkäuferinnen glotzten. Hielten sie Lula und Dunia für russische Nutten, die sich zu einem lesbischen Nachmittag davongestohlen hatten? Lula begriff, warum sich Steves Eltern Sorgen wegen Dunia machten. Wie falsch sie lagen, wie wenig sie wussten. Aber die Lüge, die sie über ihre Freundin glaubten, ließ eine andere Lüge wahr werden. Irgendwie hatten sie Dunia in die ehrgeizige Natascha verwandelt, die auf der sozialen Leiter nach oben kletterte, mit ihrem Sohn als erster Sprosse.
»Ich würde an Moschus denken«, sagte Dunia gerade. »Ein Typ, der seine Waffe bei dir versteckt und vorgibt, im Baugewerbe zu sein …«
»Vorgibt? Er ist im Baugewerbe.«
»Vorgibt«, sagte Dunia. »Der schnellste Weg zu seinem Herzen wäre vermutlich, deinen Rock zu heben und es ihm zu zeigen. Schau, keine Unterwäsche.«
»Das kannst du vergessen«, sagte Lula.
»Verstehe«, sagte Dunia. »Darum machen wir ja das mit dem Parfüm. Konzentrier dich. Fang noch mal an.«
Lula sprühte und schnüffelte und versuchte an Alvo zu denken. Aber wie sehr sie sich auch bemühte, sie konnte keine Situation heraufbeschwören, in der ihm ein Hauch von etwas Würzigem oder Süßem keine andere Wahl ließe, als sich auf sie zu stürzen.
»Probier das mal.« Dunia sprühte einen kühlen Dunst auf Lulas Handgelenk. »Lass es einziehen. Okay, jetzt riech dran.«
Lula schloss die Augen und atmete ein.
In dem vermüllten Innenhof hinter ihrem Häuserblock in Tirana hatte ein prächtiger Blütenbaum gestanden, der zwischen Abfall und Unkraut gedieh, zwischen Zigarettenrauch und Frittierfettdunst, die aus den Fenstern auf ihn niedergingen. Zum Glück blühte er um den Maifeiertag herum, daher wurde er vom Nachbarschaftskomitee, das für gewöhnlich alles Schöne oder Erfreuliche als westliches bourgeoises Gedankengift verteufelte, in Ruhe gelassen. Der Maifeiertagsbaum blühte eine Woche lang, und die Menschen kamen abends herunter, standen in Gruppen oder allein da und sogen den Duft der Blüten ein. Niemand stahl die Zweige, um sie mit in die Wohnung zu nehmen. Das war die einzige Zeit, in der der Kommunismus so funktionierte, wie er sollte. Wenn die Blüten abgefallen waren, durften die Kinder abends lange draußen bleiben und Schlachten schlagen, bei denen sie sich gegenseitig mit den schleimigen Blütenblättern und den harten Staubgefäßen bewarfen. Das Parfüm, das Dunia ihr auf das Handgelenk gesprüht hatte, roch wie diese warmen Frühlingsnächte.
»Das da«, sagte Lula mit belegter Stimme. Die Flasche – saphirblau wie die Medizinfläschchen, in denen ihre Großmutter ihr Gardenienwasser aufbewahrt hatte – erinnerte Lula an Großmutters Geschichte von der Frau, die Tränen sammelte, um sie als Hautpflegemittel zu vermarkten. Auch nur an diese Geschichte zu denken, kam ihr unheilvoll vor. Lula beschloss, das Parfüm in der Schublade mit Alvos Waffe aufzubewahren. Sollten sich ihr neuer Duft und sein Revolver doch schon mal aneinander gewöhnen.
Eine Stimme fragte: »Soll ich es einwickeln?«
»Das geht auf mich«, sagte Dunia.
»Ich kann das nicht zulassen«, sagte Lula.
Dunia schwenkte ihre Kreditkarte. »Geht auf Steve«, sagte sie zu der Verkäuferin.
10
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Mister Stanley nahm den Tag vor Weihnachten frei und verbrachte den Morgen damit, in den Schränken nach einem wichtigen Gegenstand zu suchen, der sich als ein Päckchen Lametta herausstellte, das er Strang für Strang über die Bilderrahmen hängte. Als Zeke gegen Mittag herunterkam, fragte ihn Mister Stanley, der offensichtlich sein Vorhaben vergessen hatte, die Feiertage zu ignorieren, ob er ihm helfen wolle, einen Weihnachtsbaum auszusuchen.
»Was glaubst du denn, was für Baumkrüppel am Weihnachtsabend noch übrig sind?«
Mister Stanley sagte: »Vermutlich viele. Es wird genug Auswahl geben.«
Zeke sagte: »Dann brauchst du mich ja nicht.«
Mister Stanley sagte: »Ach, zum Kuckuck, braucht man überhaupt einen Baum?«
»Ach, zum Kuckuck, braucht man überhaupt einen Baum?«, äffte
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