Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)
ganzen Abend miteinander geflirtet und sich bestens verstanden. Am Ende hat sich herausgestellt, dass einer von den beiden Bo- äh Bob war, der Typ aus dem Testchat. Er hatte nur kurz vor dem Treffen kalte Füße bekommen, aus Angst, meine Schwester könne sich als eine hundertfünfzig Kilo schwere Wuchtbrumme mit Akne und Schuppenflechte oder so entpuppen. Und deshalb hatte er sich ohne Buch und mit einem Freund in das Café gesetzt und ganz unverbindlich nach ihr Ausschau gehalten.«
»Ist das nicht auch aus einem Film?«, fragte Marianne, und Leroy klatschte in die Hände und sagte: »So ein Schlingel. Aber ich wette, deine Schwester hat ihm verziehen, stimmt’s?«
»Nicht ganz«, sagte ich, verzweifelt nach einem Einfall ringend. »Sie – äh – sie verliebte sich in seinen Freund.«
»Bob ist auch ein saublöder Name«, sagte Carla.
»Strafe muss sein«, sagte Marianne. »Obwohl er ja immer noch das Buch hervor hätte holen können, als er gesehen hat, dass deine Schwester keine hundertfünfzig Kilo schwere Maschine ist, meinst du nicht?«
Ich tat, als hätte ich nichts gehört, sondern trompetete mein Happy End heraus: »Und heute sind sie verheiratet und haben drei Kinder.«
»Das ist doch schon mal gar keine so schlechte Story«, sagte Birnbaum. »Aber es geht sicher doch noch ein wenig origineller, oder, Johanna?« Er zwinkerte mir zu, als wüßte er genau, dass die Geschichte, die ich erzählt hatte, so gut wie frei erfunden war. Vielleicht hatte er aber auch nur was im Auge.
Ich zwinkerte trotzdem erleichtert zurück und sagte: »Ja, mal sehen, was sich da machen lässt.« Es lebe der freie Journalismus!
»Mal sehen, was sich da machen lässt«, äffte Carla mich lautlos nach und versuchte pantomimisch eine Schnecke darzustellen, die sich über den Tisch schleimte. Laut sagte sie: »Du kommst auf meine Liste, Rübe.«
Birnbaum drehte sich zu ihr um. »Sie sind doch Frau Lautenbacher, oder? Die Sekretärin.«
»Genau die«, sagte Carla schnippisch. »Die so schlechten Kaffee kocht.«
»Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber was machen Sie eigentlich hier in der Redaktionskonferenz?«
»Protokoll führen natürlich«, sagte Carla und legte rasch den Arm über die vielen Kringel, Herzchen und Totenköpfe, die sie bisher gemalt hatte. »Frau Zimperich hat immer großen Wert auf meine Anwesenheit gelegt.«
»Aber ich nicht«, meinte Birnbaum. »Ein Protokollführer ist hier wirklich überflüssig. Ich denke, Sie haben ohnehin im Sekretariat genug zu tun.«
Und so kam es, dass Carla beleidigt in ihr Büro zurückkehrte, wo sie Birnbaum ganz oben auf ihre Hassliste setzte und mich auf eine neue Liste für Schleimschnecken. Sie bekam nicht mehr mit, wie Birnbaum mit Artdirector Blume wegen der spießigen Covervorschläge aneinander geriet, und auch nicht, was passierte, als Birnbaum mitten im Disput mit Blume den alterschwachen, japsenden Paule unterm Tisch entdeckte. Nämlich nicht viel.
»Und wer ist das?«, fragte Birnbaum nur. »Der Verfasser unser Trends-und-Tipps-Seite? Wundern würde mich hier, ehrlich gesagt, nichts mehr.«
5. Kapitel
N achdem wir aus der Sushibar vor Birnbaums und Annika Fredemanns Anblick geflohen waren, schleppte Carla uns in eine Kneipe, in der sie den Barkeeper kannte, einen netten Kerl namens Lorenzo mit unglaublichen Segelohren. Ich wusste nicht, ob Carla mal was mit ihm gehabt hatte, aber er stand nach eigener Auskunft auf ihrer Liste für »Männer, die wenigstens zu irgendwas gut sind«. Lorenzo war dazu gut, uns Drinks zum Happy-Hour-Preis zu mixen, und heute gab es sogar eine Runde gratis. Carlas Laune besserte sich allmählich wieder. Bei ihrem Rundumschwenk entdeckte sie einen gut aussehenden Mann an einem Ecktisch, mit dem sie sich den Rest des Abends einen interessanten Blickflirt lieferte.
»Ich gehe hier nicht weg, ehe ich seine Telefonnummer habe«, erklärte sie.
»Oh Gott, das kann dauern«, sagte Sonja und kratzte sich den Abdeckstift von einer ihrer Windpocken. Normalerweise schnappte sie Carla die männlichen Entdeckungen gerne vor der Nase weg, aber heute Abend war ihr offensichtlich nicht nach Flirten zumute.
Vivi ebenfalls nicht. Sie trauerte immer noch der verpassten Gelegenheit hinterher, ihrem Exchef Beschimpfungen an den Kopf zu werfen. Ich sagte, sie solle nicht mehr daran denken, sondern sich auf die Zukunft und einen neuen, besseren Job freuen.
Aber Vivi war von so positivem Denken weit entfernt. »Diese Bürojobs sind
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