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Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Titel: Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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oder Absicht?
B.
Datum:
06.03. 00.18 Uhr
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Betreff:
Stolz und Vorurteil
Das ist kein Zufall, mein lieber Boris, und du weißt wenig über Frauen, wenn du so etwas fragst. Alle Frauen lieben dieses Buch. Und alle Frauen wünschen sich einen Mann wie Mr. Darcy. Ohne Ausnahme. Also, was wirst du lesen?
Fairy
Datum:
06.03. 00.22 Uhr
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Betreff:
Re: Stolz und Vorurteil
Du lässt mir ja keine Wahl: Ich werde »Stolz und Vorurteil« lesen. Ich will endlich wissen, wie Frauen ticken. Und was dieser Mr. Darcy für einer ist.
Bis nachher. Schlaf schön.
B.

12. Kapitel
     
    O bwohl ich ja nicht vorhatte, mich Boris vorzustellen, machte ich mich so sorgfältig zurecht wie schon lange nicht mehr, und zwar auch da, wo man es überhaupt nicht sehen konnte.
    Zuerst lief ich meine Runde um den Block. Wenn Birnbaum dabei nicht meinen Weg kreuzte, schaffte ich es mittlerweile mit konstantem Puls eine halbe Stunde am Stück zu laufen – oder was man so laufen nennt. Es war mir durchaus bewusst, dass man bei meinem Anblick vermuten konnte, ich hätte gerade eine Herzverpflanzung hinter mich gebracht, aber das war mir egal. Anschließend duschte ich, am Ende sogar kalt, denn »Kältereize regen die Fettverbrennung an«, stand auf meiner Karteikarte. Meine Haare erhielten eine Kurpackung, mein Gesicht ein Salz- und Honigpeeling, und die Beine eine Rasur (das machte ich sonst nur samstags). Anschließend cremte ich mich am ganzen Körper ein und stellte mich erwartungsfroh vor den Spiegel. Womöglich hatten sich die Hungerei und das abendliche Laufen ja schon ausgezahlt.
    Nein, wie eine Fee sah ich leider immer noch nicht aus. Eher wie ein Schneemann. Ein Schneemann mit Taille. »Auf die Sonnenbank gehen«, hatte Carla auf eine der Karteikarten geschrieben, und sie, Vivi und Sonja waren sich einig gewesen, dass Fettrollen gleich viel appetitlicher aussähen, wenn sie braun waren. Aber ich war bis jetzt noch nicht dazu gekommen. Außerdem wurde ich nicht braun, sondern höchstens braungefleckt, und ob das der Sache förderlich war, sei mal dahingestellt.
    Ich hielt mich auch nicht lange mit Vergleichen vor dem Spiegel auf, sondern holte zur Feier des Tages meine schwarze Bauch-weg-Unterhose und den schwarzen Minimizer-BH hervor, der angeblich eine ganze Körbchengröße optisch wegmogelte. Darüber trug ich meine Lieblingshose in Siebenachtel- oder Dreiviertellänge (das wusste man bei mir nie so genau), dazu schwarze Stiefel mit hohem, aber dennoch bequemen Absatz. Die Hose war aus Stretch und hauteng, dafür war das Oberteil ein Sack, der weit über den Hintern reichte. Aber es war ein tief ausgeschnittener Sack aus einem glatt gestrickten Wolle-Seide-Gemisch, und für einen Sack sah er ausgesprochen edel aus. Der Carrée-Ausschnitt betonte meinen langen Hals, und meine Schlüsselbeinknochen waren deutlich erkennbar. Deutlicher musste es, wenn es nach mir ging, gar nicht mehr werden, ich mochte es nicht, wenn die Schlüsselbeine skelettartig hervorragten und man die einzelnen Knorpel der Brustplatte erkennen konnte, wie das zum Beispiel bei Vivi der Fall war. Oder bei Helena. Sie hatte heute Morgen in der Küche gestanden, wie immer nur mit einer Unterhose und ihrer Ratte bekleidet, die husch, husch, mal jene und mal jene Körperstelle bedeckte, uuäääh. Ich hatte die Gelegenheit gehabt, die weibliche Skelettstruktur einmal en Detail zu studieren. Ja, manchmal mag man gar nicht glauben, an welchen Stellen sich tatsächlich Knochen unter dem Fleisch befinden. Das heißt, bei Helena befanden sie sich direkt unter der Haut, Fleisch hatte sie keins.
    »Was guckste so neidisch?«, hatte sie pampig wie üblich gefragt.
    »Ich studiere nur deine Tätowierung«, hatte ich erwidert. Tatsächlich hatte sie eine ziemlich große in Brusthöhe, Eidechsen und Schlangen, die das Wort »devil« bildeten. Nicht sehr originell. »Press here« oder »an dieser Stelle sollte sich eigentlich eine weibliche Brust befinden«, hätte ich origineller gefunden.
    »Das is der Name von nem Freund von mir, ey«, hatte Helena gesagt, und ich hoffte nun inständig, dass dieser Freund niemals auf die Idee kommen würde, sie zu besuchen, so lange sie bei uns wohnte.
    Nachdem ich mich geschminkt und frisiert hatte, sah ich noch einmal in den Spiegel, und diesmal hatte ich mit einem Schneemann nichts mehr gemein. Ich sah toll aus, wie ein Model für Übergrößen. (Die sind gar nicht dick,

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