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Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Titel: Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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dass er bei der Arbeit aufgehalten werde und daher ein Treffen um halb neun vorschlage, und zwar nicht bei Rosito, sondern in einem Café in der Innenstadt, das näher an seiner Arbeitsstelle läge. Und dass er sehr hoffe, dass ich meine E-Mails noch mal abriefe, bevor ich das Haus verließe.
    Nun, das hatte ich nicht getan. Aber das fügte sich ganz hervorragend in meine Ränkeschmiede. Jetzt wusste ich zwar immer noch nicht, wie Boris aussah, aber ich musste auch nicht irgendwelche haarsträubenden Ausreden erfinden, warum ich nicht bei unserem Treffpunkt erschienen war.
    Ich streute noch ein wenig Asche auf sein Haupt, indem ich beschrieb, wie ich den ganzen Abend bei Rosito auf ihn gewartet hätte und wie die Leute mich und mein Jane-Austen-Buch beäugt hätten.
    Boris schrieb eine Entschuldigung, die vor aufrichtiger Reue nur so triefte. Er wollte sofort ein neues Treffen arrangieren, aber ich schrieb zurück, dass ich nun erst mal keine Zeit mehr hätte. Leider, leider.
    Da er es gewesen war, der das Treffen vermasselt hatte, konnte er mir schlecht böse sein, sondern musste sich verständnisvoll in Geduld fassen.
    Und ich konnte mich weiter dem »Unternehmen Größe 36« widmen. Bis hierhin hatte ich zwar schon einiges an Mühen und Verzicht auf mich genommen, aber das war gar nichts zu den Demütigungen, die ich am darauffolgenden Montag in Carlas Fitnessstudio erleiden musste.
    Birnbaum hatte Carla übrigens nicht gekündigt. Er hatte ihr vielmehr am nächsten Morgen einen Blumenstrauß auf den Schreibtisch gelegt und gesagt, dass er gerne noch einmal ganz von vorne beginnen wolle.
    Carla war beinahe tot umgefallen.
    Dann aber hatte sie sich berappelt und Birnbaums ausgestreckte Hand geschüttelt.
    »Er ist natürlich immer noch ein Kotzbrocken«, hatte sie hinterher gesagt. »Aber für einen Kotzbrocken doch ziemlich nett.«
    Ich konnte nicht anders, ich musste Birnbaums Taktik bewundern. Als ich ihn Freitagabend bei meinem abendlichen Jogging traf (wieder kamen er und sein Hund Jakob genau in dem Augenblick aus dem Hauseingang, als ich vorbeilief), sagte ich ihm das auch.
    »Sie« – japs – »haben das toll hingekriegt mit Carla«, sagte ich, als er sich wie selbstverständlich neben mir in Trab gesetzt hatte. »Sie haben erkannt, dass unter ihrer ruppigen Schale ein weicher Kern steckt, nicht wahr?«
    »Sie hatte ja auch nicht ganz Unrecht«, erwiderte er. »Ich war wirklich nicht sehr nett zu ihr. Was meinen Sie, würde Frau Klostermann sich auch über Blumen freuen?«
    »Nein, die Klosterfrau ist gegen alles allergisch, was blüht«, sagte ich. »Schenken Sie ihr Pralinen aus dem Reformhaus, dann wird sie für immer Ihre Sklavin sein.«
    Birnbaum lachte. Einträchtig liefen wir nebeneinander her, und meine Pulsuhr verhielt sich dabei erstaunlich ruhig. Allerdings spurtete Birnbaum diesmal auch nicht wie ein Achthundert-Meter-Läufer, sondern legte ein deutlich moderateres Tempo vor. Jakob schien das nicht gewohnt zu sein, er zerrte ungeduldig an seiner Leine.
    Als wir an die Kreuzung kamen, an der ich beim letzten Mal abgebogen war, fragte Birnbaum: »Wollen Sie nicht noch eine Runde mit uns in den Park laufen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »So weit bin ich noch nie gelaufen. Ich würde wahrscheinlich auf halbem Weg schlapp machen.«
    »Was sagt denn ihr Puls?« Birnbaum griff nach meiner Hand und sah auf den Pulsmesser. »Hundertachtunddreißig. Das geht doch. Wenn wir noch ein bisschen langsamer laufen, halten Sie das schon durch. Kommen Sie!«
    Ich hatte den Eindruck, dass wir so langsam liefen, dass Birnbaum bequem neben mir her hätte gehen können, wahrscheinlich auch rückwärts, aber es erfüllte mich dennoch mit unbändigem Stolz, dass ich es laufenderweise bis zum Park schaffte. Am Weiher warfen wir Stöcke für Jakob, Birnbaum fragte mich nach meinen Plänen für das Wochenende, und wir plauderten miteinander wie Freunde. Danach liefen wir die ganze Strecke wieder zurück, und als wir uns verabschiedeten, sagte Birnbaum: »Das müssen wir unbedingt wiederholen.«
    Da konnte ich ihm nur zustimmen.
    »Er ist so nett, dass ich manchmal vergesse, dass er unser Chef ist«, sagte ich zu Carla. »Wenn man nicht so vernünftig und abgeklärt wäre, könnte man sich glatt in ihn verlieben.«
    »Ach, nee«, sagte Carla. »So nett ist er nun auch wieder nicht. Außerdem ist er mit Annika Fredemann zusammen, und du hast deinen Boris. Aber wenn du dir die Wartezeit verkürzen und dich für eine

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