Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition)

Titel: Lügen, die von Herzen kommen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
sagte ich, aber Basti winkte ab. »Das gilt auch für alle anderen Bereiche. Je besser der Job ist, den du haben willst, desto besser musst du aussehen.« Mit einer lässigen Bewegung fuhr er sich über seine blonde Haarbürste. »Kommt mit nach nebenan. Da werden wir die Hanna wiegen und vermessen.«
    In mir schrie alles nach Flucht, aber ich ignorierte diesen Urinstinkt und folgte Carla und Basti nach nebenan, wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird. Schließlich würde ich demnächst in ein kleines Schwarzes passen müssen, das sollte Grund genug sein, einen Urinstinkt zu ignorieren.
    Zuerst musste ich auf die Waage steigen, eine Waage, die zugleich das Gewicht und den Körperfettanteil anzeigte. Das Gewicht war höher als ich dachte. Ich weiß nicht wieso, aber ich hatte immer eine andere Zahl im Kopf gehabt.
    »Nimm den Fuß von der Waage«, sagte ich zu Carla, aber sie hatte nichts damit zu tun.
    Es war eine abscheulich hohe Zahl, die Basti in sein Formular eintrug. Höchstens akzeptabel, wäre ich im neunten Monat schwanger gewesen.
    Der Körperfettanteil war ebenfalls zu hoch, auch wenn Basti sagte, für das Gewicht wäre es noch erstaunlich niedrig. Ich war zutiefst deprimiert. Irgendwie hatte ich gehofft, die Woche Kohlsuppenfolter und die abendliche Lauferei hätten mehr gebracht. Auf der anderen Seite: Wer wusste schon, wie viel ich vorher gewogen hatte?
    Noch auf der Waage ließ Basti mich ein paar Übungen absolvieren: Ich mußte meine Hände hinter dem Rücken verschränken, meine Fingerspitzen auf allerlei Arten berühren und mit den Händen auf den Boden klopfen, ohne dabei die Knie einzuknicken. Letzteres war mir leider nicht möglich.
    »Tja, da sind wohl meine langen, langen Beine dran schuld«, sagte ich, um die Stimmung ein wenig aufzulockern. Aber weder Carla noch Basti lachten darüber. Basti machte sich Notizen, und Carla kaute besorgt auf ihrer Unterlippe herum.
    Dann begann der erniedrigendste Teil der Prozedur: das Vermessen. Basti benutzte dafür ein flexibles Maßband wie es Schneiderinnen haben. Als Erstes stellte sich heraus, dass ich nicht einen Meter sechsundsechzig groß war, wie ich immer gedacht hatte, sondern zwei Zentimeter kleiner. Ich hatte das Maßband sofort im Verdacht, durch zu häufigen Gebrauch überdehnt zu sein. Aber als Nächstes legte Basti mir das Maßband um den Busen, und da war es plötzlich deutlich geschrumpft.
    »Ein Meter und zwei«, sagte er, und ich schnappte geschockt nach Luft. Ein Meter und zwei Brustumfang, das war doch sonst nur mit Silicon möglich, oder? Es musste der Pulli sein, den ich trug. Baumwollrippstrick. Da musste Basti doch mindestens fünf Zentimeter für abziehen. Tat er aber nicht. Er schrieb die schreckliche Zahl in sein Formular und warf Carla einen viel sagenden Blick zu.
    »Boah ist die dick, Mann«, besagte dieser Blick, da war ich mir ziemlich sicher.
    Mein Hüftumfang war natürlich noch gigantischer als der Brustumfang.
    »Ein Meter und zwölf!«, rief Basti aus. Er hörte sich an wie ein Angler, der einen ganz fatalen Karpfen aus dem Wasser gezogen hatte. Carla machte ein ernstes Gesicht. Sicher hatte sie nicht gedacht, dass es so schlecht um mich stünde.
    »Diese Hose trägt unheimlich auf«, sagte ich, nur um überhaupt etwas zu sagen.
    »Selbstverleugnung«, murmelte Basti und vermaß mit Todesverachtung meinen rechten Oberschenkel.
    »Achtundfünfzig«, sagte er. »Wie bei meiner Freundin. Nur da ist es der Taillenumfang.«
    Ach, und ich dachte, das sei dein IQ, hätte ich gern gesagt, aber noch war ich nicht so weit.
    Basti wollte das Maßband um meine Taille legen. Ich krempelte den Pullover hoch. Wenigstens an meiner Schokoladenseite sollte das Meßergebnis der Wahrheit entsprechen.
    Die Taille hatte achtundsechzig Zentimeter. Das erstaunte Basti über alle Maßen. »Sehr eigenartig«, sagte er. »So eine merkwürdige Verteilung der Fettmassen ist mir noch nie untergekommen.«
    Fettmassen. Das Wort ist schon als solches nicht besonders schön, aber wenn man es im Zusammenhang mit der eigenen Person hört, klingt es grauenhaft. Ich war kurz davor, in Tränen auszubrechen, und es wurde auch nicht besser, als Basti die Vermessungsaktion beendet hatte und ernst sagte: »Also, der Body-Mass-Index liegt im oberen Teil des so genannten leichten Übergewichtbereiches. Noch ein paar Kilo mehr, und du bist ernstlich adipös. Du hast mit Sport offensichtlich bisher wenig am Hut gehabt, und deine Beweglichkeit ist

Weitere Kostenlose Bücher