Lügen haben hübsche Beine
kriminaltechnische Labor würde vielleicht Fingerabdrücke feststellen können, aber sie konnte den Brief nicht an sich nehmen, Mick würde sicher bemerken, wenn er verschwunden war.
Sie versuchte, sich die Schrift einzuprägen und schob den Zettel wieder in eines der Heftchen.
Rasch durchsuchte sie noch den Rest des Zimmers, doch mehr war nicht zu finden.
Vorsichtig schlich sie hinüber zu Joels Zimmer, und auch hier war glücklicherweise die Tür nicht verschlossen.
Zielstrebig ging sie auf den kleinen Metallkoffer zu, der auf dem Tisch stand. Mit der Haarnadel stocherte sie eine Weile in dem Schloss herum, bis es schließlich aufsprang.
Sie warf einen Blick hinein. Objektive, Blitzlichtgeräte und diverses anderes Zubehör lagen darin, nichts Ungewöhnliches. Mit den Fingern fuhr sie in die kleine Tasche an der Innenseite des Deckels und ertastete etwas Flaches.
Rasch zog sie es heraus, und hielt eine CD in der Hand, die mit »Cloe« beschriftet war.
»Was kann da drauf sein?«, fragte sie sich erstaunt.
Nach kurzem Überlegen schloss sie den Koffer und sprang auf. Sie lief nach unten in ihr Zimmer und öffnete Mandys Schrank, wollte ihren Laptop herausnehmen.
»Verdammt«, schimpfte sie, als sie feststellte, dass Mandy das Gerät offenbar übers Wochenende mit nach Hause genommen hatte. »Was mache ich denn jetzt?«
Spontan kam ihr Craigs Laptop in den Sinn, doch diesen Einfall schob sie sofort beiseite. Sie hatte sich einmal daran vergriffen, das würde sie auf keinen Fall nochmal tun. Außerdem hatte er das Gerät sicher ausgeschaltet, und sie kannte das Passwort nicht.
Frustriert schlich sie wieder nach oben und legte die CD zurück in den Koffer. Mit der Haarnadel brachte sie den kleinen Hebel des Schlosses in die ursprüngliche Position und verließ dann nachdenklich den Raum.
Irgendwie müsste sie in den nächsten Tagen eine Möglichkeit finden, sich den Inhalt der CD anzusehen. Bis dahin konnte sie nichts weiter tun als abzuwarten, und enttäuscht stieg sie die Treppe hinab.
Sie ging noch einmal in Cloes Zimmer, zog die Schublade des Nachttischs auf und nahm das Briefpapier heraus, welches sie bei ihrem vorherigen Besuch dort schon gesehen hatte. Zwar waren die Blätter des Blocks alle leer, doch nachdem sie einen Bleistift genommen hatte und damit leicht über das Papier schraffierte, kam ein Text zum Vorschein.
»Liebe Mom, lieber Dad,
schade, dass ihr nicht zum Besuchstag kommen konntet, es war ganz lustig. Aber vielleicht gibt Harriet uns ja das nächste Wochenende frei, dann komme ich auf jeden Fall nach Hause. Hier läuft alles gut. Es ist zwar sehr anstrengend, doch ich habe gute Chancen ins Finale zu kommen. Natürlich ist die Konkurrenz groß, aber wir verstehen uns alle gut, und ich bin sehr zuversichtlich.«
Es folgten noch einige belanglose Sätze, und darunter stand »Bis bald, alles Liebe, Cloe«.
Jill grinste. Diese netten Worte passten so gar nicht zu Cloe, vor allem die Behauptung, sie würde sich mit allen gut verstehen, war wohl mehr als übertrieben. Unwillkürlich fragte sie sich, ob Cloes Eltern wussten, was für ein Früchtchen ihre Tochter war.
Doch was viel wichtiger war und Jills Grinsen sofort wieder verschwinden ließ, war die Tatsache, dass die Schrift keinerlei Ähnlichkeit mit der auf Micks Zettel hatte.
Während der erpresserische Text mit einer geschwungenen, eher eleganten Handschrift geschrieben war, bestand Cloes Brief aus einer sehr kindlich wirkenden Krakelei.
»Schade«, seufzte Jill, »Wäre ja auch zu einfach gewesen.«
Sie riss den Zettel ab, legte den Block zurück in die Schublade und ging hinüber in ihr Zimmer. Sorgfältig zerriss sie das Blatt in kleine Fetzen und spülte es in der Toilette herunter.
Anschließend setzte sie sich auf ihr Bett und notierte sämtliche Entdeckungen in ihrem kleinen Buch.
Danach griff sie zum Telefon und rief Walter an. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie sich schon so lange nicht mehr bei ihm gemeldet hatte, und erwartete eine Standpauke.
Tatsächlich begrüßte er sie dann auch mit den Worten: »Na du Supermodel, lebst du noch?«
»Sorry, hier war so viel los, dass ich nicht dazu kam, dich anzurufen«, erklärte sie verlegen. »Außerdem hatte ich bisher keine Gelegenheit, mich umzusehen. Dafür habe ich gestern und heute ein paar interessante Dinge gefunden.«
Sie berichtete ihm von dem Schwangerschaftstest, dem Zettel in Micks Schublade und Joels CD.
Walter pfiff leise durch die Zähne. »Soso, der gute Mick wird also
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