Lügen haben hübsche Beine
irgendwo alleine. Solange wir nicht genau wissen, was los ist und wer die Finger da drin hat, ist jeder Einzelne von ihnen eine Gefahr für dich.«
Unwillkürlich musste Jill an Craig denken, ihr fielen die Dateien und die seltsame Mail wieder ein. Ein ungutes Gefühl kroch durch ihren Magen, und sekundenlang überlegte sie, ob sie Walt davon erzählen sollte. Doch dann ließ sie es bleiben. Craig mochte vielleicht ein Schürzenjäger sein, aber dass er etwas mit dem Verschwinden von Lucy Hollister zu tun haben könnte, schloss sie nach wie vor aus.
»Ja, ich werde auf mich aufpassen«, wiederholte sie noch einmal.
»Okay. Versuch an diese CD ranzukommen, und ich möchte, dass du dich ab jetzt regelmäßig jeden Tag bei mir meldest. Sollte auch nur die geringste Kleinigkeit vorfallen, informierst du mich umgehend.«
Jill versprach es, und sie verabschiedeten sich.
Grübelnd rollte sie sich auf ihrem Bett zusammen, dachte über all die kleinen Puzzlestücke nach. Ewans Pillen, die sie bei den Mädchen gefunden hatte, der Brief in Micks Schublade, Joels CD, alles schien irgendwie zusammenzugehören und ergab doch keinen Sinn.
Was hatte Emily im Geräteschuppen gewollt? Wollte sie sich mit Ewan treffen, um sich weitere Tabletten geben zu lassen? Hatte er Jill niedergeschlagen? Oder war es Mick gewesen, der Emily bereits in Vegas betatscht hatte, und nun Angst hatte, Jill könnte herausfinden, was er so trieb?
Konnte es Joel gewesen sein, der vielleicht beabsichtigt hatte, Emily zu einer privaten Fotosession zu überreden?
Sie schloss die Augen, rief sich die Sekunden vor dem Schlag auf ihren Kopf ins Gedächtnis. Krampfhaft versuchte sie, sich an irgendetwas zu erinnern, ein Geräusch, einen Geruch, irgendeinen Hinweis. Doch das Einzige, was sie deutlich sah, war Craig, wie er neben ihr kniete und sie im Arm hielt.
Plötzlich kam ihr Mandys Bemerkung in den Sinn, die sie gestern Abend gemacht hatte, nachdem Jill ihr erzählt hatte, wie Craig sie aus dem Wasser gezogen hatte.
»… er hat sogar seinen Anzug für dich ruiniert.«
Eine kalte Hand griff nach ihrem Herzen, ließ sie schaudern.
Er hatte ihr erzählt, dass er die Absicht gehabt hätte, schwimmen zu gehen – aber wieso hatte er dann einen Anzug getragen?
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» O h Himmel nein, das kann nicht sein«, schoss es ihr entsetzt durch den Kopf, »Nein, das kann nicht sein. Nicht Craig, er würde so etwas nicht tun, bestimmt gibt es eine ganz harmlose Erklärung dafür.«
Mit aller Vehemenz versuchte sie, sich gegen diesen plötzlichen Verdacht zu wehren. Doch wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass es einige Dinge gab, die dafür sprachen, dass es so gewesen sein könnte. Die ominösen Fotos, von welchen in der Mail die Rede gewesen war, die herzliche Umarmung der schwangeren Grace, die Jill beobachtet hatte. Der nasse Anzug, und die Tatsache, dass ausgerechnet er sie im Pool gefunden hatte, und weit und breit niemand anderes in der Nähe war. Alles sah danach aus, als wäre er an der ganzen Sache zumindest beteiligt.
Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie sich fragte, ob er sie vielleicht auch nur benutzt hatte, um sie für irgendwelche Fotos gefügig zu machen.
Verzweifelt weinte sie in ihr Kissen, wollte nicht glauben, dass sie sich so sehr in ihm getäuscht haben könnte.
Irgendwann rappelte sie sich auf, ging ins Bad und stellte sich unter die Dusche, bemüht, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Sie konnte nicht ausschließen, dass Craig in den Fall Lucy Hollister verwickelt war, doch sie hatte auch keine konkreten Beweise. Schließlich stand es momentan noch nicht fest, dass die Fotos von dem Mädchen wirklich von Joel stammten. Es schien auf der Hand zu liegen, konnte aber ebenso eine völlig falsche Spur sein.
So schnell wie möglich musste sie sich den Inhalt der CD anschauen, vorher hatte sie kein Recht, Craig in irgendeiner Weise zu verdächtigen. Bis dahin würde sie sich von ihm fernhalten und dafür sorgen, dass sie nicht mehr mit ihm allein war, das war das Einzige, was sie im Moment tun konnte.
Jill verbrachte den restlichen Montag grübelnd im Bett. Als sie am anderen Morgen mitbekam, dass Harriet lediglich einen unwichtigen Ausflug in einen nahegelegenen tropischen Garten geplant hatte, schützte sie Kopfschmerzen vor, um nicht mitfahren zu müssen.
Entgegen ihrer sonstigen Art war Harriet sehr verständnisvoll und erklärte sich damit einverstanden, dass Jill noch für einen weiteren Tag im Bett blieb.
Nachdem alle
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