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Luegen haben huebsche Beine

Luegen haben huebsche Beine

Titel: Luegen haben huebsche Beine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nell Dixon
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Ich denke mal, dass das zeigte, wie sehr man sich irren konnte, denn es wurde deutlich, dass jeder von uns seine kleinen Geheimnisse hatte.
    Charlie fuhr mit dem Minivan los, um ihn gegen einen anderen Wagen einzutauschen, und Kip machte sich daran, das Internet zu durchforsten, um Hinweise auf die Einladung zu finden, die wir in Mums Schatzkistchen gefunden hatten. Ich fand auf der Straßenkarte die Bibliothek und beschloss, zuerst da hinzugehen. Die Lebensmitteleinkäufe kamen später. Die Vorstellung, jede Menge Taschen nach Hause zu schleppen, behagte mir nicht, und deshalb wollte ich ein Taxi nehmen, da Sainsbury’s auch nicht zu weit von unserem Haus entfernt lag.
    Ich konnte keinen Grund finden, der gerechtfertigt hätte, mich aufzuhübschen, also kämmte ich mein Haar einfach nur nach hinten, band es zu einem Pferdeschwanz zusammen und warf mich in eine Trainingshose und ein T-Shirt. Schwerer Fehler.
    Die Bibliothek war gar nicht so übel, obwohl der Bibliothekar, ein gewisser Mr. Biggs, mir nicht ganz so hilfsbereit begegnete wie Sanjay, der Bursche, der in unserer letzten Bibliothek das Zepter geschwungen hatte. Sainsbury’s war eine komplett andere Geschichte. Der Parkplatz quoll nahezu über von glänzenden Gefährten der Marken Mercedes und BMW und den unvermeidlichen Geländewagen. Entweder die Menschen, die in dieser Gegend lebten, waren sehr viel wohlhabender, als ich erwartet hatte, oder aber die Frauen von Cheshire legten weit mehr Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild, als das bei mir der Fall war. Ich trollte mich an den einzelnen Regalen vorüber und fühlte mich dabei noch ungepflegter und noch unsichtbarer als sonst.
    Wenn ich mich besser konzentriert hätte, wäre es mir nicht passiert. In fremden Supermärkten muss man sich etwas bemühen, denn man weiß ja noch nicht, wo die einzelnen Sachen zu finden sind, und so durchkämmte ich das Warenangebot auf der Suche nach Kips Lieblingsschokoladencreme, als ich plötzlich Philippe auf die Füße trat.
    Im wahrsten Sinne des Wortes.
    Erstens: Es tut nie gut, seinem nächsten Opfer über den Weg zu laufen, bevor das krumme Ding überhaupt gestartet wurde. Und zweitens: Dem Fußballspieler einer Spitzenliga auf die Zehen zu treten ist niemals ein kluger Schritt – niemals.
    Es wäre mir aber auch nie in den Sinn gekommen, dass er an einem Samstag im Supermarkt einkaufte. Ich meine, hätte der nicht irgendwo einem Ball hinterherrennen müssen?
    »Ach, das tut mir jetzt aber leid.« Mein Gesicht schien die Farbe der Tomaten anzunehmen, die in seinem Einkaufskörbchen lagen.
    »Macht nichts.« Er hatte ein sehr nettes Lächeln und nur einen ganz leichten Akzent. Als ich mir das Foto von ihm ansah, das Charlie aus dem Internet heruntergeladen hatte, war mir gar nicht aufgefallen, dass er so gut aussah. Seine Haut hatte eine hübsche goldbraune Farbe, diese Art von Farbe, die natürlich aussieht und nicht à la Sonnenbank. Sein Körper wirkte prächtig durchtrainiert, und er hatte wunderschöne dunkle Augen. Ich musste Charlie mehr Informationen über seinen Hintergrund entlocken. Immer noch sah er mich mit höflichem Gesichtsausdruck an, bis mir schließlich auffiel, dass ich ihm im Weg stand.
    »Entschuldigung.« Ich huschte zur Seite, sodass er an mir vorbeigehen konnte. Unglücklicherweise tat er genau das Gleiche, und so führten wir zwischen den Konserven ein ungeschicktes Tänzchen auf. Hätte sich der Boden vor mir aufgetan und mich verschluckt, so hätte er mir damit einen Gefallen erwiesen.
    Nachdem er entschwunden war, steuerte ich in Richtung der Tiefkühlkost, um mich abzukühlen. Einen der Kühlschränke zu öffnen und meine Nase neben eine Packung Häagen Dazs zu stecken war vermutlich meine einzige Möglichkeit, genug Fassung wiederzuerlangen, um ihm neuerlich gegenüberzutreten.
    Wenn ich Glück hatte, würde er mich morgen, wenn wir einander in der Kirche trafen, nicht wiedererkennen. Die Menschen neigen dazu, sich nicht an mich zu erinnern, was der Grund dafür ist, dass ich sie so gut begaunern konnte. Bei dieser Begegnung hier hatte es sich jedoch anders verhalten, weil ich ganz ich selbst gewesen war und nicht verkleidet. Statt wie sonst mit der Szenerie zu verschmelzen und leicht in Vergessenheit zu geraten, stach ich jetzt aus der Masse der smarten Kunden von Sainsbury’s wie eine Promenadenmischung bei der Hundeschau für Rassetiere heraus.
    Es wäre schön, Menschen als der Mensch begegnen zu können, der ich wirklich war.

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