Lügen haben rote Haare
Presslufthammers.«
Meine Mutter und ich belächeln die beiden Kampfgockel, die ständig ihre Kräfte messen. Ich leere die Plastiktüte mit Frau Piefkes Kleidung in einen Wäschekorb, den meine Mutter auf den Tisch gestellt hat.
Opa greift sofort nach Gundulas Unterhose. Neugierig betrachtet er sie von allen Seiten. »Solche hat deine Mutter auch immer getragen«, klärt er meinen Vater auf, worauf ich ihm entsetzt das Teil entreiße.
»Opa! Lass das!«
Meine Mutter läuft rot an. »Also wirklich, Vater, manchmal …!«
Sie verschluckt den Rest ihres Satzes, stattdessen bietet sie mir einen Teller Hühnersuppe an. Ich lehne dankend ab und erkläre, dass ich gleich wieder los muss, weil ich mit Bruni verabredet bin.
Als ich meinen Wagen aus der Garagenausfahrt lenken will, sehe ich im Rückspiegel Dustin vorbeihumpeln. Grinsend steige ich aus. »Was hast du denn gemacht, Dustin? Das sieht aber nicht gut aus.«
Opa Heini, der am Gartentor steht, antwortet für Dustin.
»Da hat doch tatsächlich jemand Blechdosen, mit denen der Junge so gerne schießt, mit Gips gefüllt und auf die Straße gelegt. Das weiß bereits die ganze Siedlung.« Er kann sich das Lachen kaum verkneifen.
»Ja«, brüllt Dustin laut. »Mein Vater hat gesagt, wenn er denjenigen erwischt, der kriegt eins in die Fresse!«
Opa ruft tröstend. »Lass dir mal den Spaß nicht verderben, Jung. Schieß doch mit dem gesunden Fuß.«
Unverschämt! Dustin zeigt Opa Heini dreist den Stinkefinger, dann humpelt er weiter.
15. Das nennt man Schicksal
Bruni sitzt bereits eine Stunde vor der verabredeten Zeit bei mir in der Küche, allein zu Hause hätte sie »es nicht mehr ausgehalten«. Ihre Stimmung ist genau ins Gegenteil umgeschlagen. Sie plagen Zweifel. Wir wechseln uns mit der Toilettenbenutzung ab, geben uns förmlich die Klinke in die Hand.
»Wir müssen uns zusammenreißen, ich habe nur noch eine Rolle Klopapier, Bruni.«
Bruni massiert ihre Darmgegend, ich knabbere an einem trockenen Toast. Bruni kann nichts essen. Ich versuche sie abzulenken und frage nach Heiner.
»Wir sehen uns morgen Abend. Oje«, ihre Hand massiert noch immer.
»Wohin geht ihr?«
»Wir wollen ins Kino.«
Jetzt rumort es so arg in ihrem Darm, dass ich es laut hören kann. Ich merke, dass es nicht möglich ist, Bruni von den nagenden Gedanken abzulenken. Ich schnappe den Schlüssel, der vor mir auf dem Küchentisch liegt, und gebe dem nervösen Bündel einen Schubs.
»Los, komm, wir fahren jetzt. Je länger wir unser Vorhaben hinauszögern, desto schlimmer wird es.« Ich stecke meine kleine Digitalkamera in die Hosentasche.
»Ich glaub, ich muss noch mal.« Bruni versucht es mit der Verzögerungstaktik.
»Kommt gar nicht in Frage. In deinem Darm kann nichts mehr sein, so oft, wie du warst.«
Wie einen störrischen Esel ziehe ich Bruni durch das Treppenhaus, bis hin zum Parkplatz hinter mir her. Dann bugsiere ich sie mit aller Kraft in mein Auto, schlage die Beifahrertür mit lautem Knall zu und beeile mich loszufahren, damit Bruni mir in letzter Sekunde nicht doch noch entwischen kann.
Nervös, aber fest entschlossen, lenke ich den Wagen durch den Verkehr. »Sieh mal, Bruni, das ist alles eine Fügung! Das muss einfach so sein. Der liebe Gott will es so, denn solche Zufälle gibt es im Leben nicht. Meinst du, er hat die Piefke umsonst von der ersten Etage klatschen lassen?«
Weil sie nicht antwortet, predige ich weiter. »Willst du etwa, dass sie umsonst operiert wurde? Das, was passiert ist, nennt man Schicksal, Bruni! Glaubst du denn nicht an Gott?« Jetzt habe ich sie.
»Natürlich glaube ich an Gott!«
»Siehst du! Gottes Willen darf man sich nicht widersetzen! Das nennt man Sünde !«
Endlich wirkt sie etwas gefestigter, an mir ist eine Pastorin verloren gegangen. Kurz darauf parken wir den Wagen in einer Seitenstraße vor der Störtebekerwiese und machen einen kleinen Erkundigungsgang.
»Sehr schön, keine störenden Nachbarn weit und breit.«
Jetzt erblicken wir Geigenpauls Villa, mir bleibt sprichwörtlich die Spucke weg. Vor uns liegt ein prachtvolles Anwesen aus weißen Steinen. Das große schmiedeeiserne Tor liegt zwischen hohen Buchsbaumhecken. An einer Steinmauer rechts daneben hängt ein formschöner weißer Briefkasten, mit einem kleinen handbeschrifteten Schild, auf dem Geiger steht. Ich ziehe Bruni hinter mir her.
»Bringen wirʼs hinter uns.« Mit zittrigen Fingern probiere ich die Schlüssel, ein kleiner gleitet wie Butter ins
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