Lügen haben rote Haare
mich gemünzt! Ich erinnere mich schon gar nicht mehr daran, wie lange es her ist, dass mich jemand so genannt hat. Frechheit, wir leben doch nicht mehr im Mittelalter!
Bruni kaut auf ihrer Unterlippe. »Bei der hast du wohl einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ist doch klar, warum er sie abgewiesen hat. Er steht halt auf Männer.«
Ich freue mich still. Blöde Tusnelda . Schade, dass die nicht gerne mit Blechdosen Fußball spielt.
Bruni und ich beschließen, eine Nacht über unser weiteres Vorgehen im Fall ›Geigenpaul‹ zu schlafen. Wir sind uns einig, dass weder Ulrike, Heike, noch sonst wer aus der Firma erfahren darf, dass wir im Haus des Juniors auf Beweissuche waren. Welche Möglichkeiten haben wir, um zu erklären, wie wir an das Foto gekommen sind? Das sind schwere Hausaufgaben!
16. Lektion für Roger
Bruni kommt auf Wolke Sieben ins Büro geschwebt und plappert in einer Tour. Sie hätte gestern Abend noch geschlagene zwei Stunden mit Heiner telefoniert. Sie würde sich ›wie Bolle‹ auf den heutigen gemeinsamen Abend mit ihm freuen. Meine Freude hält sich in Grenzen, weil die Schwerverliebte mit Sicherheit ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat.
»Hast du nachgedacht?«, frage ich mit Nachdruck.
»Nachgedacht? Worüber?«
Sie klemmt sich auf ihren Viertelarbeitsplatz und legt ihren Unterarm auf die rote Markierung.
»Bruni, du kannst dich bequem hinsetzen! Sitzt doch niemand im Chefzimmer.«
»Ach ja«, flötet sie gut gelaunt und breitet sich aus.
»Nachgedacht über das Foto. Wie sollen wir erklären, woher wir das Beweismittel haben? Ich habe mir den Kopf zerbrochen, mir fällt keine plausible Erklärung ein.«
»Meinst du, dass ich nach dem Flirt mit Heiner noch nachdenken konnte? Nee, Karo. Dafür war kein Platz mehr in meinem Kopf.«
»Dann denke heute Abend darüber nach.« Ich werde ungeduldig und spitze einen Bleistift im Turbotempo an.
»Geht nicht, da bin ich im Kino. Erinnere mich daran, dass ich heute Mittag keine Zwiebeln esse.« Sie summt leise eine Melodie.
»Dann denke jetzt nach!« Mein Ton ist so scharf wie ein Rasiermesser, was Bruni nicht zu registrieren scheint. In aller Seelenruhe kramt sie in ihrer Handtasche und befördert ein Fläschchen Nagellack hervor. Dann streift sie die Schuhe ab und schwingt gekonnt den rechten Fuß auf den Schreibtisch.
»Jetzt ist schlecht, beim Lackieren kann ich nicht denken, sonst verschmiere ich den Nagellack.« Sie streckt die Zungenspitze heraus und trägt vorsichtig die Farbe auf.
»Übrigens, ich bin Jacob im Aufzug begegnet. Er wollte nur kurz zu Dröpjes, danach hätte er Termine außer Haus .«
Das erklärt Brunis Abgebrühtheit, so ungeniert um diese Stunde Pediküre im Büro zu betreiben. Mich stimmt diese Nachricht etwas versöhnlicher.
»Wir könnten Willi und Simone fragen, wie die das anstellen würden.«
Ein Fuß ist fertig und wedelt auf dem Schreibtisch hin und her.
»Stimmt, besonders deine Cousine Simone. Die hat ja am laufenden Meter gescheite Ideen.«
Bruni summt wieder leise und unmelodisch vor sich hin. Ich merke, dass sie heute vollkommen neben der Spur ist, und somit keine hilfreichen Vorschläge liefern wird. Ich gebe auf, sie weiter zu bedrängen.
»Der Jacob hat ganz extrem nach Rasierwasser geduftet. Ha, ha. Termin ›außer Haus‹.« Jetzt wedeln zwei Füße.
»Wenn du dir sicher bist, dass er wirklich nicht mehr kommt, fahre ich jetzt zur Piefke ins Krankenhaus. Dann habe ich den Weg nach Büroschluss gespart.«
Bruni nickt. »Ich bin mir sicher. Fahr ruhig. Grüß sie lieb von mir.«
Nach wenigen Kilometern parke ich vor einer Parfümerie. Mit Geigers Taschentuch bewaffnet, was ich nur ganz zufällig dabei habe, betrete ich das Geschäft und wundere mich, wie Frauen es schaffen, so früh am Morgen so perfekt geschminkt zu sein. Ich steuere auf ein Puppengesicht zu und halte ihr das Taschentuch hin.
»Können Sie mir sagen, was das sein könnte?«
Sie nimmt das Schnäuztuch in die Hand.
»Ein Taschentuch würde ich sagen. Ein Herrentaschentuch.«
Nein, ich gebe jetzt nicht zu, dass ich eine dumme Frage gestellt habe .
»Das weiß ich«, erwidere ich. »Ich möchte wissen, mit welchem Herrenduft das Teil getränkt ist.«
Sie schnuppert an dem Stoff und strahlt mich an.
»Ganz eindeutig Le Male von Jean Paul Gaultier .«
Als sie mir den Preis nennt, frage ich nach einer Probe. Sie reißt die Augen weit auf und tippt mit ihrem Finger auf das Schnäuztuch.
»Aber, Sie haben doch eine
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