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Lügen in Kriegszeiten

Lügen in Kriegszeiten

Titel: Lügen in Kriegszeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Ponsonby
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anderen Ton an.
     
    Deutschland mit der alleinigen Verantwortlichkeit für den Krieg zu belasten, ist nach dem, was wir bereits wissen – und es wird noch mehr ans Licht kommen – ein Unsinn. Einen Vertrag auf einen Unsinn aufbauen, ist eine Ungerechtigkeit. Menschlich, moralisch und geschichtlich steht der Vertrag verurteilt da, ganz abgesehen von seinen wirtschaftlichen Ungeheuerlichkeiten.
    Austin Harrison,
    Herausgeber der „English Review“.
     
    Haben rachsüchtige Nationen je etwas Niederträchtigeres, Falscheres oder Grausameres vollbracht als die Alliierten, als sie mittels des Versailler Vertrages Deutschland zwangen, den Sündenbock für die Schuld aller zu machen. Welche Nation hat reine Hände und ein reines Herz?
    Charles F. Dole.
     
    Im Jahre 1923 traten die Vertreter der Völker in einem nichtständigen, gemischten Ausschusse zusammen, um den Entwurf zu einem Vertrage des gegenseitigen Beistandes unter den Auspizien des Völkerbundes aufzustellen. Da ihnen wohlbekannt war, was von ihren Regierungen als ein offenkundiges, unbestreitbares Beispiel eines unprovozierten Angriffes von seiten Deutschlands erklärt worden war, fanden sie sich außerstande, den Ausdruck „unprovozierter Angriff“ zu definieren. Die belgischen, brasilianischen, französischen und schwedischen Delegierten sagten im Laufe einer Denkschrift:
     
    Es genügt nicht, die Formel „unprovozierter Angriff“ lediglich zu wiederholen, denn unter den Bedingungen der modernen Kriegführung dürfte es unmöglich sein, auch nur theoretisch zu bestimmen, was einen Angriffsfall ausmacht.
     
    Diese Auffassung wurde praktisch angenommen, und als der juristische Ausschuß zu Rate gezogen wurde, machte er den Vorschlag, man solle den Ausdruck „Angriff“ (aggression) fallen lassen. Es wurde dafür bestimmt, daß der künftige, dem Völkerbund unterstehende Fall einer Nation, die die Empfehlung des Rates oder den Urteilsspruch des Gerichtshofs ablehnt und zu den Waffen greift, als Angriffskrieg gelten soll.
    Im Jahre 1925 findet sich in der Präambel zu dem zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien geschlossenen Locarnovertrag nicht das leiseste Echo der Beschuldigung; es wurde im Gegenteil folgender Satz eingeschaltet:
     
    Bestrebt, dem Wunsche nach Sicherheit und Schutz nachzukommen, der alle Völker beseelt, die von der Geißel des Krieges von 1914 bis 1918 heimgesucht wurden (les nations qui ont eu a subir le fléau de la guerre).
     
    Es ist hier nicht der Platz, auf die Frage der Verantwortlichkeit näher einzugehen, die Schuld von einer Nation auf die andere zu wälzen oder darzutun, in welchem Grade Deutschland tatsächlich verantwortlich war. Alleinige Verantwortlichkeit und teilweise Verantwortlichkeit sind zwei sehr verschiedene Dinge. Die Deutschen und die Österreicher bemühten sich ihrerseits und nicht ohne gutes Beweismaterial hierfür, Rußland anzuklagen. Aber die Streitigkeiten und Wirrnisse und die bejammernswerte Unfähigkeit der Diplomatie auf allen Seiten in den letzten Wochen vor dem Kriege waren ebensowenig die Ursachen des Krieges wie die Ermordung des Erzherzogs, wenngleich beständig besondere Schriftstücke zutage gebracht werden, um den falschen Eindruck zu erwecken.
    Die Ursachen lagen weiter zurück und erstreckten sich über ein weites Feld, und es ist fraglich, ob sogar die künftigen Geschichtsschreiber imstande sein werden, die Schuld zwischen den in Betracht kommenden Mächten auch nur einigermaßen richtig zu verteilen.
    Lord Cecil of Chelwood legte kürzlich den Finger auf die unzweifelhafteste aller unmittelbaren Ursachen, die den Krieg herbeiführen halfen. Als er im Jahre 1927 in der City sprach, nahm er auf den „riesenhaften Wettstreit in Rüstungen vor dem Kriege“ Bezug und sagte:
     
    Niemand kann leugnen, daß der durch den Rüstungswettstreit geschaffene Geisteszustand den Boden bereitet hat, auf dem die Pflanze wuchs, deren Frucht schließlich der Weltkrieg war.
     
    Die obige Reihe von Anführungen wird zur Genüge bekunden, daß die Alleinschuld des Feindes, wie immer, eine Kriegslegende ist. Der große Erfolg der Propaganda läßt jedoch den Eindruck lange Zeit im Geiste jener haften, die sich ob ihrer Unterstützung des Krieges vor sich selbst rechtfertigen wollen, und jener, die sich nicht die Mühe gegeben haben, die nachträglichen Widerrufe und Ableugnungen zu verfolgen. Überdies läßt man die Legende so weit als möglich im öffentlichen Geiste in der Form von

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