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Lügen in Kriegszeiten

Lügen in Kriegszeiten

Titel: Lügen in Kriegszeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Ponsonby
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rechte Brust wegschnitten. Die linke war ihr schon weggeschnitten worden. Die Deutschen wurden von unseren Soldaten sofort getötet. Grace bewerkstelligte noch, beiliegenden Brief zu kritzeln, ehe ich sie fand. Wir sagen alle, daß Ihre Schwester eine Heldin war. Sie ging auf den Schlachtfeldern umher und suchte nach verwundeten Soldaten, und einmal, als sie einen Verwundeten hereinbrachte, wurde sie von einem Deutschen überfallen. Sie schleuderte das Gewehr des Soldaten auf ihn und erschoß ihn mit ihrem Stutzen. Selbstverständlich sind alle Schwestern hier bewaffnet. Ich habe soeben die Weisung erhalten, zusammenzupacken und nach Schottland zu reisen. Will versuchen, Ihnen diese Zeilen einzuhändigen, da von hier keine Post geht. Wir behelfen uns so gut wie möglich mit einem zusammengebrochenen Güterwagen als Obdach. Werde Ihnen alles Nähere mitteilen, wenn ich Sie sehe. Jetzt sind wir alle in Sicherheit, da Verstärkungen eingetroffen sind.
     
    Im Evening Standard erschien ein kurzgefaßter Bericht mit der Bemerkung: „Diese Botschaft ist dem Pressebüro unterbreitet worden, das gegen die Veröffentlichung nichts einzuwenden hat, für die Richtigkeit der Meldung aber nicht bürgt.“
     
    Am Mittwoch brachten mehrere Abendzeitungen eine Geschichte, die wegen ihrer besonderen Gräßlichkeit und den genauen Einzelheiten, die ihr beigegeben waren, außergewöhnliches Aufsehen erregte. Sie wurde, wie wir glauben, zuerst am Mittwochmorgen im Dumfries Standard veröffentlicht und handelte von einer Krankenschwester, die angeblich von deutschen Soldaten in Belgien mit entsetzlicher Grausamkeit ermordet wurde. Die Krankenpflegerin stammte ans Dumfries, und laut dem Dumfries Standard wurde die Geschichte der Schwester der angeblich Ermordeten in Dumfries von einer anderen Krankenschwester aus Belgien erzählt, die auch in einem Briefe einen Bericht darüber gab. Überdies veröffentlichte der Dumfries Standard eine Abbildung eines Briefes, den, wie es hieß, die ermordete Krankenschwester kurz vor ihrem Tode an ihre Schwester in Dumfries geschrieben hatte. Die Geschichte schien deshalb besonders gut beglaubigt zu sein und wurde, wie bereits erwähnt, von einer Anzahl angesehener Londoner Abendzeitungen, einschließlich des Pall Mall und der Westminster Gazette , des Globe , des Star und des Evening Standard veröffentlicht. Aber spät am Mittwochabend entdeckte man, daß sie vollständig aus der Luft gegriffen war, da die in Frage stehende Krankenschwester sich in Wirklichkeit in Huddersfield befand und nie in Belgien gewesen war, obwohl sie sich zur Front gemeldet hatte. Der Yorkshire Post zufolge behauptet ihre Schwester in Dumfries noch immer, daß eine „Schwester Mullard“, die sich als Krankenschwester aus Belgien ausgab, sie aufgesucht, ihr die Geschichte erzählt und den Brief übergeben habe, dessen Schrift der Handschrift ihrer Schwester gleiche.
    „ Times“-Leitartikel, 18. September 1914.
     
    Die Times fordern dann weiter eine Untersuchung und geben der Vermutung Ausdruck, daß die Geschichte von deutschen Agenten erfunden sei, damit allen Greuelgeschichten kein Glauben mehr geschenkt werden solle.
     
    Kate Hume, siebzehn Jahre alt, erschien gestern in Dumfries vor dem stellvertretenden Richter Primrose unter der Anklage, einen gefälschten, angeblich von ihrer Schwester, der Krankenpflegerin Grace Hume in Huddersfield, geschriebenen Brief in Umlauf gesetzt zu haben. Auf den Rat ihres Anwaltes hin verweigerte sie jede Auskunft, und sie wurde hierauf in Untersuchungshaft genommen.
    „Times“, 30. September 1914.
     
    Der Fall kam vor dem Obersten Gerichtshof in Dumfries zur Verhandlung, und es wurde der Beweis erbracht, daß Kate Hume (die Schwester) die ganze Geschichte erdichtet und beide Briefe, sowohl den ihrer Schwester wie den der „Schwester Mullard“, gefälscht und der Presse zugeschickt hatte.
    „Times“, 29. und 30. Dezember 1914

 
    7
    Der verbrecherische Kaiser
     
    Wenn man den Feind als den Alleinschuldigen und Urheber des Krieges erklärt hat, so heißt es dann, den Feind personifizieren. Da eine Nation aus Millionen von Menschen zusammengesetzt ist und es sogar einem mäßig intelligenten Volke klar sein dürfte, daß zwischen einem Einzelverbrecher und einer Nation keine Gemeinsamkeit besteht, so muß notwendigerweise ein Individuum herausgeholt werden, auf das sich der ganze Zorn eines unschuldigen Volkes, das sich nur gegen einen „unprovozierten Angriff“ verteidigt,

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