Lügen in Kriegszeiten
entladen kann. Der Herrscher ist offenbar die zu wählende Person. Während der Kaiser sich bei vielen Gelegenheiten durch seine Prahlerei und Großsprecherei lächerlich gemacht und Ärgernis erregt hatte, so war dennoch vor wenigen Jahren im Daily Mail sein Bild erschienen mit der Unterschrift: „Ein Freund in der Not ist ein Freund in der Tat.“ Und noch am 17. Oktober 1913 schrieben die Evening News :
Wir alle erkennen den Kaiser als einen ritterlichen Mann an, dessen bloßes Wort besser ist als die Handschrift manches anderen, der uns stets als Gast willkommen ist und den wir ungern von uns scheiden sehen, als einen Herrscher, dessen ehrgeizige Bestrebungen für sein Volk auf ebenso gutem Rechte beruhen wie die unserigen.
Als aber das Signal gegeben ward, konnte man dies alles vergessen und ins gerade Gegenteil umschlagen. Der Kaiser erwies sich als die beste Zielscheibe für alle Schmähungen. Und diese hatten so großen Erfolg, daß eine Übertreibung bald unmöglich ward; jedes erdenkliche Verbrechen wurde sowohl von öffentlicher wie von privater Seite gebieterisch ihm zur Last gelegt; und so trieb man es während des ganzen Krieges. Seine ganze Vergangenheit wurde einer Prüfung unterzogen, und das Resultat fiel sehr zu seinen Ungunsten aus. Hinsichtlich seines Wunsches, während des Burenkrieges gegen Großbritannien zu kämpfen, lagen jedoch leider sich widersprechende Aussagen vor, wie die nachstehenden zwei Auszüge zeigen:
Mit der Hilfe des Zaren hat Delcassé deutsche Vorschläge zu einem kontinentalen Zusammenschluß gegen uns während des Burenkrieges abgewiesen.
„Times“, 14. Oktober 1915 (Leitartikel bei Delcassés Rücktritt).
Zur Zeit des südafrikanischen Krieges waren andere Nationen bereit, den Buren zu Hilfe zu kommen, aber sie stellten die Bedingung, daß Deutschland es gleichfalls tue. Der Kaiser lehnte es ab.
General Botha, berichtet in den „Daily News“, 3. September 1915.
Aber über seine Schuld am Weltkriege herrschte nur eine Meinung.
Er hatte Ende Juli 1914 in Potsdam einen geheimen Kronrat der Mittelmächte zusammenberufen, in dem beschlossen wurde, Europa einen Krieg aufzuzwingen. Diese geheime Verschwörung wurde zuerst im September 1914 von einer holländischen Zeitung enthüllt. Die Geschichte wurde von den Times am 28. Juli 1917 und abermals im November 1919 aufgefrischt. Sie wurde sogar in Deutschland geglaubt, bis von verschiedenen Offizieren aus der Umgebung des Kaisers Berichte erschienen, in denen dargelegt war, wie er diese Tage verbracht hatte, und schließlich wurde sie durch die Zeugenaussagen aller jener, von denen man glaubte, sie hätten am Kronrat teilgenommen, endgültig zerstört und als Legende erwiesen. Das geschah im Jahre 1919, nachdem sie ihren Zweck erfüllt hatte.
Von den Tausenden von Auslassungen über des Kaisers persönliche Schuld brauchen nur einige angeführt zu werden:
Er (der Feind) fängt an, den verzweifelten Charakter des Abenteuers, auf das der Kaiser sich einließ, als er diesen frevelhaften Krieg entfesselte, zu begreifen.
,,Daily Mail“, 1. Oktober 1914.
Der nachstehende Brief des verstorbenen Sir W. B. Richmond im Daily Mail vom 22. September 1914 spiegelt in starken Ausdrücken die vorherrschende Meinung wider:
Weder England noch das zivilisierte Europa und Asien werden vor dem verrückten Wilhelm erzittern, wenngleich auf seinen Befehl die Kathedrale von Reims zerstört worden ist.
Diese letzte Tat des barbarischen Häuptlings wird uns nur alle enger zusammenziehen, um uns von einer Geißel zu befreien, dergleichen die zivilisierte Welt noch nie gesehen hat.
Der Wahnsinnige schichtet die Scheite zu seinem Scheiterhaufen auf. Uns kann das Ungeheuer keinen Schrecken einjagen; wir werden die Zähne zusammenbeißen, entschlossen, diesen modernen Judas und seine Höllenbrut auszurotten, und wenn es uns auch den letzten Mann kosten sollte.
Um diese gerechte Sache zu vollbringen, müssen wir geduldig und beharrlich sowie auch tatkräftig sein.
Unser großes England wird bereitwillig sein Blut vergießen, wenn es gilt, zu helfen, die zivilisierte Welt von einem verbrecherischen Monarchen und einem verbrecherischen Hofe zu befreien, denen es gelungen ist, aus einem fügsamen Volke eine Herde von Wilden zu machen.
Sir James Crichton Browne hat in Dumfries gesagt. „Einen Strick für den Kaiser“; ihn erschießen, hieße ihn den ehrenvollen Tod eines Soldaten sterben lassen. Der
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