Lügen & Liebhaber
zu der Schlußfolgerung, ich hatte mir nichts zuschulden kommen lassen. Karl war für mich ein guter Freund mit einem reichlich absonderlichen Beruf, er lebte gut dreihundert Kilometer entfernt, hatte Kochbücher im Bücherschrank und eine Vorliebe für Amphibienbilder, die vermutlich nie ein Mensch zu Gesicht bekam. Vielleicht liebte er mich wirklich, was ich sehr zu schätzen gewußt hätte, aber das war’s auch schon. Kleine Romanze – keine Verpflichtungen. Und was für Karl galt, galt im übrigen auch für Skip.
Plötzlich klopfte es gegen das Fenster auf der Fahrerseite. Ich erschrak. Es war ein Polizist, der sich tief beugen mußte, um zu uns hineinzusehen. Gleichzeitig bemerkte ich den angetrockneten Fleck auf Skips Jeans. Keine Ahnung, wie der da hingekommen war.
Skip kurbelte jetzt das Fenster runter, ganz cool, ich war mir nicht klar darüber, ob man für öffentlichen Geschlechtsverkehr bestraft werden konnte.
»Guten Abend«, sagte der Polizist mit heller, fast mädchenhafter Stimme. Ich schätzte ihn auf Anfang Zwanzig. »Wenn Sie bitte wegfahren würden. Sie stehen im absoluten Halteverbot.«
»Klar doch.« Skip grinste und startete den Motor. Während er losfuhr, friemelte er eine Schachtel Lucky Strike aus dem Handschuhfach. »Glück gehabt.«
Ich nickte, nahm Skip die Zigarette aus dem Mund, um sie für ihn anzuzünden. Ein Zug, dann gab ich sie ihm zurück.
»Weißt du, daß du …« Skip verstummte und schaute mich von der Seite an. Die Dunkelheit verschluckte die ganze Farbe seiner Augen und ließ sie starr aussehen.
»Was?«
»Du bist großartig. Ja … Einfach großartig!«
»Und du bist furchtbar, weil du im Auto rauchst.«
Skip lachte, kurbelte die Scheibe bis auf einen Spalt wieder hoch und blies den Rauch nach draußen.
In Wirklichkeit war es mir völlig egal – das mit dem Zigarettenqualm. Ich wollte bloß davon ablenken, wie unglaublich geschmeichelt ich mich fühlte. Eine halbe Stunde intensiver Körperkontakt im Auto, und dieser Mann lag mir zu Füßen. Das war doch eine passable Bilanz für den Abend.
»Hey, darf ich auch eine?« Ohne Skips Antwort abzuwarten, zog ich eine zweite Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an. Eigentlich schmeckten mir Zigaretten nicht besonders, aber es gab Momente, die wurden erst durch das Ziehen an einem dieser Glimmstengel zu denkwürdigen Augenblicken.
»Wohin fahren wir eigentlich?«
Wir entfernten uns zwar vom Stadtzentrum, fuhren aber keineswegszu mir nach Eimsbüttel. Skip lenkte den Wagen auf die Seite, holperte den Kantstein hoch und bremste scharf.
»Ich dachte, du hättest vielleicht Lust, mit zu mir zu kommen.«
»Wo hat deine Redaktion dich denn einquartiert?«
»In Hamburg wohne ich immer privat.«
»Heißt …?«
»Ein Freund von mir – Amerikaner – handelt mit Antiquitäten. Ich schlafe sozusagen in seinem Lager.«
»Hört sich ja unglaublich romantisch an …«
»Wart’s ab. Auch in Wandsbek kann es sehr schön sein.«
Skip lächelte in sich hinein, erzählte mir dann, er müsse morgen wieder zurück nach Berlin. »Eine ganze Nacht mir dir – weißt du eigentlich, was mir das bedeuten würde?«
»Nee«, murmelte ich.
»Ich auch nicht.« Skip preßte mir übermütig ein Küßchen auf die Wange. »Aber ziemlich viel. Das garantiert.«
Eine Nacht mit Skip – und was dann? Ein zweiter Adriano würde er sowieso nicht werden, da konnte er noch so viel mit Komplimenten um sich werfen.
»Oder kommst du mit nach Berlin? Diesmal zu mir …«
Ich schüttelte den Kopf, was Skip eigentlich nicht sehen konnte, weil er gerade in den Seitenspiegel schaute. Trotzdem sagte er: »Dein letztes Wort?«
»Wir spielen Aida jetzt en suite, und ich brauche das Geld.«
»Ich könnte dir einen Job bei der Morgenpost besorgen. Kleine Artikel schreiben. Das würde dir doch Spaß machen?«
»Sicher«, sagte ich nur und überlegte, ob es nicht doch das beste wäre, sofort auszusteigen und mir ein Taxi zu nehmen. Zwei Männer, die mir Bett und Job anboten, waren zwar einerseits angenehm, andererseits überforderte mich die ungewohnte Situation, sie nahm mir sozusagen die Luft zum Atmen.
»Gut. Dann nicht.« Skip hatte schon richtig verstanden. »Hoffe trotzdem, du besuchst mich mal.«
»Mhm«, sagte ich uneindeutig.
Skip ließ den Wagen wieder an, wir fuhren eine Weile schweigend.
»Weißt du, was für einen Eindruck ich von dir hatte, als ich dich damals im Café sitzen sah?« fragte Skip, als er von der Wandsbeker
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