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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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entdeckte ein Paar Schuhe, das mein Herz höher schlagen ließ, lief rasch weiter und versuchte am Rathausmarkt dem Sparkassengeldautomaten ein paar Scheine zu entlocken. Leider mißlang dies gänzlich. Der Apparat behielt meine Karte einfach ein. Aufgebracht eilte ich weiter, vertrieb mir die Zeit in den umliegenden Passagen und wußte auf einmal, wie es sichanfühlte, wenn man nicht nur von den Menschen, sondern auch noch vom Geld verlassen war.
    Zehn nach acht bezog ich vor »Essen & Trinken« Stellung. Ich würde Oskar einfach mitteilen, daß unser gemeinsames Essen ins Wasser fallen müsse. Punktum. Keine Diskussion. Vielleicht lud er mich ja gleich zu sich nach Hause ein – das wäre eine nette Variante gewesen –, und wenn nicht, ging ich eben nach Hause, ganz solide.
    Natürlich war Oskar wieder einmal unpünktlich. »Sorry. Ich mußte noch klar Schiff machen.« Er lächelte angestrengt.
    »Weiß man so etwas nicht vorher?« fragte ich.
    »Warum so grantig?«
    »Weil ich dir sowieso nur sagen wollte, daß ich nicht mit dir essen gehen werde …«
    »Doch was Besseres vor?« Oskar grinste wie auf Kommando.
    »Ich hab kein Geld.«
    »Wie … kein Geld?«
    »Paß auf, Oskar. Wenn man kein Geld hat, ist das Portemonnaie leer, verstehst du? No money! Und der Geldautomat weigert sich auch, welches auszuspucken.«
    »Wenn das dein einziges Problem ist …« Es zuckte um seine Mundwinkel. »Selbstverständlich lade ich dich ein.«
    »Oskar, ich will aber nicht, daß du denkst …«
    »Psst«, machte er und legte seinen Zeigefinger auf meinen Mund. Die erste zärtliche Geste an diesem Abend.
    Er hakte mich unter und zog mich in den ungemütlichen Freßtempel, wo er sich ein paar Nudeln und ich mir etwas Asiatisches holte. Als wir beim Essen saßen, fragte Oskar mich, ob ich wirklich total blank sei.
    »Bei diesem Thema pflege ich nicht zu scherzen.«
    »Und? Was gedenkst du zu tun?« Er unterdrückte einen kleinen Gähner.
    »Geld verdienen. Blöde Frage.«
    »Fang doch bei mir im Geschäft an.« Oskar sagte das einfach so in den Raum, schob sich dann eine übervolle Gabel Pasta in den Mund.
    »Aber … ich kenne nicht mal den Unterschied zwischen Kaschmir und Polyester.«
    Oskar versuchte etwas zu erwidern, was ihm in Anbetracht seines vollen Mundes nicht gelang, daher machte er mir ein paar kryptische Zeichen, und als er endlich runtergeschluckt hatte, sagte er: »Man kann alles lernen.«
    »Du meinst es wirklich ernst?«
    »Warum nicht? Ich suche schon seit Wochen händeringend eine Aushilfe … Allerdings hast du dringend Nachhilfe nötig.«
    »Kein Problem.« Ich brachte das vollkommen lässig hervor, auch wenn sich mir der Magen krampfte. Klamotten zu verkaufen war das letzte, wonach mir der Sinn stand, aber solange sich die Synchronfirma nicht meldete, blieb mir wohl nichts anderes übrig. Meinen Vater würde ich jedenfalls nicht wieder anbetteln.
    »Wann fangen wir an?« Oskar pulte ungeniert zwischen seinen Schneidezähnen herum, zog schließlich mit einem Seufzer der Erleichterung ein Stückchen Irgendwas heraus und hielt es wie eine Trophäe hoch.
    Ich schaute weg. »Egal.«
    »Gleich? Bei mir zu Hause?«
    Ich nickte und wußte auf einmal nicht, ob ich überhaupt Lust hatte, in Oskars Reich einzudringen. Was, wenn es mir gefallen und ich mich richtig in den Mann verlieben würde?
    *
    Entgegen meiner Erwartung wohnte Oskar in einem heruntergekommenen Altbau in Altona. Kein repräsentativer Mamoreingang, kein roter Teppich, statt dessen eine versiffte Treppe mit PVC-Belag und an den Wänden abwaschbare Tapete in einem beißenden Lilaton. Wie hielt Vollblut-Ästhet Oskar das nur aus?
    Seine Wohnung selbst entsprach dann schon eher dem Bild, das ich von ihm hatte. Art-déco-Möbel, wohin man sah, an den Wänden Tapeten mit floralen Motiven – hier lebte in der Tatein Dandy, ein Überbleibsel aus längst vergangener Zeit. Statt der Jahrtausendwende entgegenzufiebern, delirierte Oskar noch mit Opiumpfeife im Mund in den zwanziger Jahren des Jahrhunderts. Der einzige Bruch in der Wohnung: Kinderspielzeug, hier und da verstreut – allerdings entdeckte ich nirgends ein Bild von seiner Tochter.
    Oskar schaute mich erwartungsvoll an. Vermutlich war er es gewohnt, daß seine Besucher in Stürme der Begeisterung ausbrachen. Vielleicht mokierten sie sich aber auch über sein etwas spleeniges Ambiente.
    »Nett hast du’s hier«, bemerkte ich. Genau das gleiche hatte Skip damals in meiner Bude gesagt. Sollte Oskar den

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