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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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Satz doch auslegen, wie er wollte.
    Im Grunde wußte ich auch nicht so recht, was ich von der Einrichtung halten sollte. Auf den ersten Blick gefiel sie mir zwar, aber beim genauen Hinsehen wurde mir klar, daß sie viel zu sehr auf Wirkung bedacht war, um so etwas wie Seele zu besitzen. Oskar wollte ein Bild von sich vermitteln und merkte dabei nicht, daß er sich wie ein Schauspieler in einem Bühnenbild bewegte.
    »Was kann ich dir zu trinken anbieten?« Beiläufig griff er nach einem Zeitungshalter aus Holz und stützte sich darauf ab.
    »Scotch auf Eis«, sagte ich mehr zum Spaß, aber Oskar setzte sich sogleich mit seinem Zeitungshalter in Bewegung, um die Drinks stilbruchmäßig in seiner giftgrünen Einbauküche zu mixen.
    Indiskret, wie ich war, warf ich derweil einen Blick in sein Schlafzimmer, das er mir – aus was für Gründen auch immer – vorenthalten hatte. Dabei gefiel es mir von allen Räumen am besten. In der Mitte des Zimmers befand sich ein schlichtes Messingbett – Kopfkissen und Decken weiß bezogen –, auf dem Dielenboden stand eine Glasvase mit Sonnenblumen, und über dem Bett prangten Van Goghs Sonnenblumen als Kunstdruck hinter Glas. Basta. Kein Schrank, keine Gardinen, nur eine Kleiderstange mit dunklen Anzügen.
    Plötzlich stand Oskar hinter mir und reichte mir meinen Scotch.
    »Schön«, sagte ich und merkte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. »Wirklich schön.«
    »Hier hat sich schon mal ein Filmliebespaar geliebt. Ist das nicht lustig?« Oskar drückte mir einen Kuß auf den Haaransatz, der mich fast schon schachmatt setzte.
    »Fangen wir an?« Ich ließ mein Glas gegen Oskars klirren. Ve r dammt – eigentlich wollte ich doch keinen Tropfen mehr anrühren.
    Oskar nickte. Er ging voraus in seinen Wohnbereich und holte ein paar Ordner aus einer Glasvitrine. Natürlich hatte er für solche Dinge kein banales Regal. Wir setzten uns auf sein ledernes Artdéco-Sofa, das, wie Oskar mir versicherte, aus Südafrika stammte, dann drückte er mir einen der Leitz-Ordner in die Hand.
    »Durchblättern«, befahl er. »Yves Saint Laurent, Sonia Rykiel, Giorgio Armani, Karl Lagerfeld, Thierry Mugler – die Dinosaurier unter den Designern.«
    Folgsam schlug ich eine Seite nach der anderen um, schaute mir Entwürfe und Kollektionen an, doch während Oskar seine recht schulmeisterlichen Erklärungen abließ, stellte ich meine Ohren auf Durchzug. Ich tat es nicht böswillig, aber irgendwie konnte ich einfach nicht richtig zuhören.
    »Das ist nur die Basis«, sagte Oskar, als ich mit dem ersten Ordner fertig war. »Diese Designer verkaufe ich sowieso nicht. Jetzt kommen wir zu der jüngeren Generation. Ann Demeulemeester, Martin Margiela, John Galliano, Tom Ford … Ein guter Jahrgang. Sie haben die besten Modeschulen besucht. Die Kleiderindustrie reißt sich um sie!«
    Wieder blättern und schauen, aber je mehr ich sah, desto weniger konnte ich unterscheiden.
    »Yohji Yamamoto … Rei Kawakubo …« Oskar zeigte auf einen Mantel von Rei Kawakubo, bei dem die Ärmel schief eingesetzt waren. »So etwas wird momentan von vielen jungen Designern kopiert. Anfang der achtziger Jahre hat man die beiden Japaner noch ausgelacht. Sie wurden regelrecht verteufelt – und plötzlich, stell dir vor, waren sie Avantgarde, man betete sie an, und noch heute …«
    »Warum muß man denn einen Ärmel schief einsetzen?« wagte ich einzuwenden.
    Oskar lachte. »Man muß nicht. Aber Rei Kawakubo hat einfach Esprit, sie ist ein Genie. Stellt in jeder Kollektion die Gesetze der Schneiderkunst von neuem auf den Kopf.«
    Ich nickte wie eine Schülerin. Als müßte ich mit einer besonders guten Note abschneiden.
    »Morgen zeige ich dir ein paar Sachen im Laden. Du wirst dich sicher schnell einarbeiten.«
    »Morgen?«
    Oskar nickte. »Ginge das?«
    Es kam zwar etwas überraschend, aber eigentlich konnte es mir nur recht sein. Was sollte ich die Jobberei noch lange hinauszögern, schließlich brauchte ich das Geld dringender als gleich.
    Wir handelten den Stundenlohn aus, ich schaute mir einen dritten Ordner mit noch unbekannten Designern an, dann klappten mir die Augen zu. Es war ein harter Tag gewesen.
    »Soll ich dir ein Taxi rufen?« Oskar tätschelte meinen Rücken.
    »Ich hab doch kein Geld«, sagte ich enttäuscht.
    »Gut. Dann … Wenn du magst, bleibst du eben hier. Oder ich bezahle dir das Taxi.«
    Wie ein dummes, verlegenes Mädchen schaute ich auf meine Ballerinas. Warum konnte Oskar nicht einfach sagen: Es

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