Lügen & Liebhaber
wie sehr ihn behaarte Frauen anmachten.
Ich angelte mir eine Scheibe Tiroler Schinken und biß davon ab, bestellte mir dann kauend eine Melange.
»Worauf hast du Lust?« fragte Skip. Ich schätzte es sehr an ihm, daß er mich nicht nach meiner Dissertation ausquetschte oder mich gar in die Bibliothek begleiten wollte. Wenn er mit mir zusammen war, interessierte ihn nur, was wir gerade taten oder in der nächsten Sekunde tun würden.
»Du wolltest doch in die Gemäldegalerie.«
»Nur wenn du auch magst.« Skip rollte eine Scheibe Käse auf und schob sie mir in den Mund. Er grinste. »Ansonsten könnten wir auch zu mir gehen.«
Ich schüttelte den Kopf. Der Gedanke an diese eine Schublade, in der gewisse Fotos lagen, verursachte bei mir sofortiges Unwohlsein.
»Kultur«, bestimmte ich, nachdem ich runtergeschluckt hatte.
Inzwischen brachte der Kellner meine Melange, die ich in ein paar Schlucken ausgetrunken hatte. Ich schnippte nach dem Kellner und bestellte noch einmal dasselbe.
»Hast du nicht zufällig vor, ganz nach Berlin zu ziehen?« Skip öffnete eine in Plastikfolie verschweißte Madelaine und betrachtete das Gebäckstück von allen Seiten.
»Warum sollte ich?«
»Du bist oft genug hier. Und die Stadt ist großartig. Genau das Richtige für Leute, die am Scheideweg stehen.«
Wieso in Gottes Namen stand ich am Scheideweg? Und an was für einem? Wahrscheinlich hatte mir Skip keinen Tag geglaubt, daß ich promovierte, und wenn er auch nicht von Karls Existenz wußte, so war es gut möglich, daß er mir durchaus einen zweiten Liebhaber zutraute.
»Du bist doch gaga«, sagte ich. »Weshalb sollte ich nach Berlin ziehen? Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund!«
»Doch. Mich.«
»Skip, wir haben eine Affäre!«
»Ja. Und daraus könnte mehr werden.« Er sah mich an, nur für einen Moment, dann wandte er sich ab, indem er die Augen schloß und einen leisen Seufzer von sich gab.
Ich wußte nichts zu sagen, nippte aus lauter Verlegenheit an meiner leeren Tasse.
»Hast du noch einen anderen? Ist es das?«
»Nein. Nein und ja.« Keine Ahnung, warum ich das jetzt sagte.
»In Hamburg?«
Ich nickte. »Ein ehemaliger Freund. Ich hänge sehr an ihm.« War ich denn von allen guten Geistern verlassen?
»Schade. Aber falls du es dir anders überlegst … Ich wäre sehr an einer – sagen wir – festen Beziehung interessiert.«
*
Der zweite Antrag innerhalb von zwei Tagen. Eigentlich sollte es mir großartig gehen, mein Ego von all den Streicheleinheiten überquellen, aber irgendwie fühlte ich mich nur flau im Magen. Ich hatte Skip drucksend und reichlich uneindeutig geantwortet, und noch bevor wir zur Gemäldegalerie aufbrachen, drohte unser Gespräch ganz zu ersterben. Was blieb, waren zusammengestoppelte Sätze ohne jeden Sinn.
Es goß in Strömen, und als wir klitschnaß in der Matthäikirchstraße ankamen, war meine Laune auf dem Tiefpunkt – genau wie Skips. Immerhin wäre er mit seinem Rennrad sehr viel schneller hier gewesen, nur meinetwegen hatte er es geschoben. Hinzu kam, daß ich in meinem langen, ungeschlitzten Rock keine großen Schritte machen konnte, folglich hatten wir für den Weg unnötig lange gebraucht. Zwar war kein Ton über Skips Lippen gekommen, aber seinem Blick nach zu urteilen, hätte er nicht übel Lust gehabt, mich umzubringen.
Drinnen schüttelte ich mich wie ein tropfnasser Hund, ging dann geradewegs zur Kasse. Während ich mein Kleingeld abzählte, blieb Skip an meiner Seite und zückte seinen Presseausweis. Ich löste mein Ticket und dachte gerade, abartig, wie privilegiert Journalisten sind, als Skip mich fragte, wieso ich denn nicht meinen Studentenausweis vorgezeigt hätte oder ob man als Promovierende keinen mehr bekäme.
»Doch, doch«, beeilte ich mich zu sagen. »Hab ihn nur in Hamburg vergessen.«
Bevor ich noch rot wurde, drehte ich meinen Kopf weg und tat, als würde ich ganz dringend etwas in meiner Tasche suchen. Immer war ich auf der Hut, überlegte genau, wem ich was erzählte, und dann sollte so ein idiotischer Kauf einer Eintrittskarte dazu führen, daß alles aufflog? Soweit kam es noch! Ich selbst hatte die Fäden in der Hand, ich bestimmte, wann wer auch immer die Wahrheit über mich erfuhr.
Um das Thema gar nicht erst zu vertiefen, preschte ich zur Information vor, organisierte zwei Übersichtspläne und drückte Skip kurz darauf einen von beiden mit den Worten »In einer Stunde wieder hier?« in die Hand.
Skip sah mich unglücklich an.
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