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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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»Aber … Gehen wir denn nicht zusammen?«
    »Wenn du dich mir anpaßt, darfst du mitkommen.« Ich warf einen Blick auf den Plan. »Aber ich warne dich. Ich werde mir nicht alles ansehen. Und keine Rücksicht auf dich nehmen.«
    Skip erwiderte nichts, dackelte jedoch folgsam hinter mir her. Als erstes peilte ich die Säle I–III an, Spätgotik und Renaissance in Deutschland, verweilte kurz vor Lucas Cranachs »Jungbrunnen«, um dann in aller Ruhe Stellung vor seinem »Jüngsten Gericht« zu beziehen. Daß Gott für mich die Hölle vorgesehen hatte, war mir ziemlich klar. Um so mehr interessierte es mich, in welchen Teil ich wohl verfrachtet und welche Foltermethode mir zugedacht werden würde. Vielleicht steckte man mich ja in dieses Faß mit kochendem Teer, das ein züngelndes Ungeheuer bewachte …
    »Ich geh dann doch schon mal vor«, hörte ich Skip hinter mir maulen.
    »Gut. Mach nur.«
    »In einer Stunde in der Cafeteria?«
    Ohne meinen Blick von dem Triptychon zu wenden, nickte ich. Dann war Skip verschwunden. Erleichtert schlenderte ich zu den Niederländern rüber. Eigentlich hatte ich mich auf das konspirative Treffen mit Skip gefreut, ja, wirklich, und daß ich jetzt so auf Diva machte, verdankte ich auch nur der Tatsache, daß mich vor vielen Jahren ein geradezu fanatischer Museumsgängerfreund mit seiner ewigen Besserwisserei oftmals zur Weißglut getrieben hatte.
    Das Museum gefiel mir. Die Bilder mußten nicht hinter Spiegelglas ihr Dasein fristen, besser noch, durch die Atriumfenster veränderte sich der Lichteinfall je nach Bewölkungsgrad des Himmels. Allein die Masse der Exponate erdrückte mich. Also stellte ich meinen Streifzug unter das Motto Jüngstes Gericht und huschte somit an den meisten Gemälden einfach nur vorbei.
    Ich war schon ziemlich müde und etwas wirr im Kopf, als ich bei den Italienern ein Triptychon entdeckte, das mir sehr zusagte.Unter dem einfallsreichen Titel »Das Jüngste Gericht« hatte Fra Angelico im ausgehenden 14. Jahrhundert eine fabelhafte Hölle kreiert, in der die bösen Menschenkinder in verschiedene, namentlich getrennte Abteilungen verfrachtet wurden. Ich sah mich schon ganz rechts unten in der Libidinosi-Abteilung schmoren, als Skip mich überfallartig in seine Arme schloß und mir ins Ohr raunte: »Ich hab mit mir gewettet, ob ich dir wohl zufällig über den Weg laufe. Wenn ja …«
    Er verstummte, gleichzeitig drehte ich mich um. Passend zur Libidinosi-Abteilung hatte er eine famose, leider Gottes nicht zu übersehende Erektion.
    Ich mußte kichern.
    »Was ist los?«
    »Hast du keine Jacke dabei?« fragte ich so laut, daß es das ältere Paar zu meiner Rechten mitbekam.
    »Scheiße, nein!« Skip drehte sich auf absurde Weise im Kreis.
    »Kommst du mit?« Er deutete Richtung Ausgang und formte mit den Lippen die Buchstaben W und C.
    Ich fand, ich hatte für heute genug rumgezickt, also nahm ich Skip bei der Hand und suchte mit ihm die nächstgelegenen Toiletten auf.
    »Bis gleich.«
    Rasch verschwand ich in der Damentoilette. Kaum war ich wieder draußen, überrumpelte Skip mich mit einem heftigen Kuß. Vielleicht turnten ihn nicht nur behaarte Frauen an, sondern auch Toilettenvorräume von Museen. Innerhalb kürzester Zeit geriet er derart in Fahrt, daß ich schon fürchtete, er könne gleich das öffentlichkeitsvertretbare Maß überschreiten, doch dann gellte eine Männerstimme über den Flur.
    Im ersten Moment vermutete ich, ein Wärter wolle uns zurechtweisen, aber die markerschütternden und zudem nicht enden wollenden Klagelaute ließen eher darauf schließen, daß irgendeinem Besucher gerade etwas Fürchterliches passiert sein mußte. Ich drehte mich um, und dann sah ich Karl in einiger Entfernung stehen, sein Gesicht verzerrt.
    Was für ein Alptraum.
    »Das ist sie also, deine Affäre«, sagte Karl in geradezu feierlichem Ton. Merkwürdigerweise sah er dabei nicht mich an, sondern Skip.
    Ich schaute auf Skip, der augenblicklich kalkweiß geworden war, während sich alles, was meinem Leben bisher Kontur verliehen hatte, in einem gräßlichen Gefühl von Verlorenheit auflöste. Karl und Skip kannten sich. Mehr noch – sie mußten einige intime Dinge voneinander wissen … Warum war ich bloß wie gelähmt? Konnte nichts machen, nichts sagen? Aber eigentlich war es auch nicht nötig, denn die Männer hatten genug damit zu tun, sich wie Kampfhähne kurz vorm Angriff ins Visier zu nehmen. Ich, die eigentliche Übeltäterin, war ausgeblendet.
    Karl

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