Lügen & Liebhaber
fix und fertig gepackt und zusammen mit dem Amphibienbild vor die Tür gestellt. Tränen traten mir in die Augen, ich mußte mich am Geländer festkrallen.
Scheiße, Scheiße, Scheiße. Alles vergeigt! Ich sah nach unten, dachte, wenn du jetzt springst, hast du es hinter dir, dann bist du gleich in der Hölle – Abteilung Libidinosi. Warum, zum Teufel, konnte ich mir nicht einmal vorher überlegen, was mir wichtig war im Leben?
Hinter Karls Wohnungstür hörte ich Geräusche. Ohne zu überlegen, klingelte ich. Nun mach schon die Tür auf, Karl. Bitte! Es klapperte wieder, diesmal leiser, dann Stille. Wahrscheinlich spähte Karl durch den Spion und wartete, daß ich endlich Leine zog. Aber den Gefallen würde ich ihm nicht tun. Lieber klingelte ich so lange Sturm, bis er es nicht mehr aushielt.
Keine zwei Sekunden später öffnete Karl. Endlich. Er sah verweint aus, was mich sehr rührte.
»Hallo«, sagte ich und mußte dummerweise grinsen.
»Was willst du?« Karl hatte sich so im Türrahmen aufgebaut,daß ich keine Chance hatte, die Wohnung zu betreten. Aus seiner Hosentasche lugte ein zerfleddertes Taschentuch.
»Mit dir reden. So … So geht es doch nicht.«
»Und ob es geht.« Noch nie hatte ich Karl derart frostig erlebt.
»Was soll das mit dem Bild? Wieso ausgerechnet jetzt?«
»Hab ich dir nicht versprochen, daß du es zu einem besonderen Anlaß bekommst?«
»Es ist sehr schön.« Ich trat ein wenig zurück, um die orangefarbene Amphibie auf rostrotem Grund genauer zu betrachten. Karl nickte und drückte die Tür bis auf einen kleinen Spalt zu.
»Bitte«, sagte ich. Ganz plötzlich waren ein paar Tränen da.
»Willst du mich wirklich rausschmeißen?«
»Genau das will ich tun, Sylvie. Es ist aus. Verstanden? Ich hätte es längst tun sollen.« Karls Kinn zitterte wie kurz vorm Weinen. Ich schaute ihn nur an und dachte, wie dumm, er ist mit Abstand der netteste Kerl, den ich bisher in meinem Leben getroffen habe.
»Du hast ja recht! Ich bin das größte Arschloch unter der Sonne!« Obwohl ich vor lauter Heulen kaum sprechen konnte, machte Karl keine Anstalten, mich in den Arm zu nehmen oder so. Ich sah nur, wie er selbst mit den Tränen kämpfte. »Und wenn ich dir verspreche, daß ich Skip nicht mehr sehe?« bettelte ich.
»Du kannst mir viel versprechen. Wer weiß, ob du nicht noch einen dritten Mann hast. Zum Beispiel in Hamburg. Oder auf einem anderen Kontinent.« Karl erhob die Hand, als wolle er mich schlagen, aber dann ließ er sie nur mit einem verächtlichen Grunzer sinken.
»Was traust du mir eigentlich zu?« schrie ich im Gegenzug.
»Wenn du’s genau wissen willst, alles. Ja, alles! Und noch viel mehr!«
Karl schluckte heftig, aber er konnte sich doch nicht mehr beherrschen. In Zeitlupe zog er eine Grimasse, und schon fing er an zu weinen. Waffenstillstand. Ich draußen mit meinen Tränen, er drinnen. Keine Ahnung, wie lange wir uns einfach so gegenüberstanden, ich hatte kein Zeitgefühl mehr und sehnte mich nur danach, daß Karl mich in den Arm nahm. Was nichtgeschah. Und ich war auch zu stolz, den ersten Schritt zu tun.
»Kannst du mir nicht wenigstens sagen, ob es hier in der Nähe ein Hotel gibt?« fragte ich schließlich, als mein Taschentuch nur noch ein nasser Fetzen war.
Statt einer Antwort machte Karl eine Handbewegung, die wohl besagen sollte, daß ich reinkommen durfte. Ich nahm das Bild, drückte es Karl in die Hand, hievte dann meine Tasche in den Flur. Aber schon hatte Karl das Bild gegen die Toilettentür gelehnt und war schnellen Schrittes ins Wohnzimmer gegangen. Peng – knallte er die Tür hinter sich zu. Und jetzt? Was sollte ich tun? Zu vieles war unausgesprochen, es war nicht möglich, sich bis zum nächsten Morgen einfach anzuschweigen. Ich lugte ins Gästezimmer, aber Karl hatte mein Bett schon abgezogen. Auch das noch. Was glaubte er eigentlich? War ich durch das Auffliegen meines Doppellebens nicht schon genug gestraft? Aufgebracht klopfte ich an die Wohnzimmertür, dachte aber gar nicht daran, seine Antwort abzuwarten.
Karl saß auf seinem sonnengelben Sofa und ließ wie in Dallas die Eiswürfel in seinem Whiskyglas klirren. Dabei schaute er auf seine dunkelgrauen Socken, die beidseitig ein kleines Loch am großen Zeh hatten.
»Zwei Fragen«, sagte ich cool. »Woher kennst du Skip, und warum warst du in der Galerie?«
»Gegenfrage.« Karl sah nicht hoch. »Warum dieses Spiel?«
»Darf ich mich setzen?« Karl nickte, und ich ließ mich an der
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