Lügen & Liebhaber
ausgezeichnete Idee.
»Wenn’s irgendwie nicht hinhaut, stelle ich mich gern ersatzweise zur Verfügung.« Toni strich mir mit ihren schönen, kräftigen Fingern über den Unterarm. Wahrscheinlich waren ihre Hände wirklich dafür gemacht, den ganzen Tag Babys durch die Gegend zu schleppen und senfgelbe Kacke abzuwaschen. Ich lächelte meine Freundin an und freute mich, daß sie nach allem, was passiert war, zu mir hielt und für mich da war.
*
Zugegeben – ich hatte Hemmungen, Karl wegen meines Geburtstages anzurufen. Angst vor Ablehnung. Und als ich michdann endlich doch mit reichlich Herzklopfen bei ihm meldete, wußte ich, diese Angst war in der Tat nicht ganz unbegründet gewesen.
Zwar freute Karl sich zunächst, daß ich ihn zu diesem Anlaß so ganz exklusiv sehen wollte, doch dann raschelte er stundenlang mit irgendwelchen Papieren herum und wiederholte immer wieder: »Der 15.? Du meinst wirklich den 15.?«
»Ja! Und weißt du was? An diesem Tag vor genau 29 Jahren hatte meine Mutter meinetwegen richtig gemeine Schmerzen!« Ich argwöhnte schon, Karl habe einfach keine Lust, zu mir zu kommen, und traue sich bloß nicht, es offen zuzugeben, aber dann sagte er mit wirklichem Bedauern in der Stimme, es tue ihm leid, aber vom 14. bis zum 16. hänge er in der Endabnahme seines Films, da sei er auf keinen Fall abkömmlich.
Eigentlich wollte ich ihm vorschlagen, er solle abends die letzte Maschine nehmen und am nächsten Morgen in aller Frühe zurückfliegen, aber dann dachte ich mir, okay, wenn er mich nicht mal fragt, ob ich statt dessen zu ihm kommen möchte, wird er schon seine Gründe haben.
Dann mußte also doch Toni herhalten. Ich informierte sie darüber, als wir abends nach der Hauptprobe bei ihr zu Hause im Wohnzimmer herumlümmelten, durch die Kanäle zappten und uns von Henrik Schnittchen servieren ließen. Dieser Mann war wirklich eine Perle. Nicht nur, daß er die Brote mit allem belegt hatte, was der Kühlschrank so hergab, nein, er hatte sie auch noch mit kleinen Cornichons, Maiskolben und winzigen Apfelstückchen auf fünfziger Jahre getrimmt.
»Darfst abtreten«, kommandierte Toni. In letzter Zeit hatte sie sich eine ungewohnt freche Art zugelegt. Wie würde das erst werden, wenn sie ein Kind hatte!
»Falls ihr noch was braucht. Ich bin nebenan beim Bügeln.«
»Kann man sich den Mann mal ausleihen?« fragte ich Toni, nachdem Henrik die Tür hinter sich zugezogen hatte. Nicht daß er besonders viel Schönheit oder Charisma zu bieten hatte, aber er war einfach ein prima Kerl.
Toni lachte und schob sich ein Salamischnittchen in den Mund.
»Was ist denn mit Karl?« fragte sie kauend. »Kommt er etwa nicht?«
»Er hat seinen Job vorgeschoben. Idiot …«
»Hm«, machte Toni und schluckte angestrengt runter. »Was machen wir denn da?«
»Sag bloß, du kannst jetzt nicht mehr!« Scheiße, dieses beklemmende Gefühl. Meinen Geburtstag mit irgendwelchen Exkommilitonen, Leuten von der Oper oder gar allein verbringen zu müssen war für mich die reinste Horrorvorstellung.
Toni beugte sich vor, nahm ein Gurkenstück von einem der Schnittchen und spielte damit herum. »Es ist nur … Henrik und ich … Weißt du, wir sind eingeladen …«
»Wieso denn ausgerechnet an meinem Geburtstag? Jeden anderen Tag in diesem Jahr könnt ihr euch einladen lassen!«
Toni wand sich vor lauter Unbehaglichkeit.
»Und wo?« hakte ich nach. »Paare treffen Paare?«
»Bei Henriks Eltern.«
Ich stöhnte genervt. Was wollte sie dort bloß, wenn ihre beste Freundin Geburtstag hatte?
Toni sah mich traurig an. »Du bist ungerecht, Sylvie.«
»Ich kapiere das nicht! Warum möchte denn niemand mit mir Geburtstag feiern?«
Natürlich war meine Reaktion übertrieben, aber irgendwie hatte Toni es nicht anders verdient. Erst bot sie sich großzügig als Ersatz für alle Fälle an, und dann war ihr urplötzlich eine völlig langweilige und überflüssige Einladung dazwischengekommen.
»Also, gut. Du wirst es sowieso erfahren.« Das kleine Stück Gurke verschwand in ihrem Mund, und während sie es ungekaut in eine ihrer Backentaschen schob, sagte sie: »Kann sein, daß ich schwanger bin.«
»Was heißt das, kann sein …«, fragte ich verdattert.
»Meine Regel ist ausgeblieben, und der Test war positiv. Aber ich muß noch zum Ultraschall … Erst dann kann man sich sicher sein …«
Obwohl das eigentlich ein Grund war, an die Decke zu springen, schaute Toni ziemlich unglücklich drein, und auch mir fielnach dem
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