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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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Theater der letzten Jahre nicht mehr als ein dröges Herzlichen Glückwunsch ein. Zudem lief ein ganzer Film im Zeitraffertempo vor meinem Auge ab. Toni mit dickem Bauch, Toni mit Säugling rund um die Uhr beschäftigt, Toni mit nölendem Kleinkind, Toni mit Schulkind bei den Hausaufgaben – was war mit uns? Es würde anders werden, alles würde anders werden. Noch ein knappes Jahr, und ich würde Toni nicht nur mit ihrem Henrik, sondern auch noch mit so einem kleinen Windelwesen teilen müssen. Ja, verflucht – ich war verdammt eifersüchtig, und das wurde mir erst jetzt klar, wo sich dieser Zellklumpen vermutlich schon in ihr angedockt hatte.
    »Was ist los?« fragte Toni.
    Eigentlich konnte ich die Frage zurückgeben, denn Toni sah ebenfalls nach Weltuntergang aus, doch bevor ich etwas antworten konnte, hing sie an meinem Hals wie eine Klette und heulte Rotz und Wasser. Henrik steckte seinen Kopf zur Tür herein, aber Toni scheuchte ihn mit wedelnder Handbewegung wieder raus.
    »Komm, die Schnittchen werden kalt«, bemerkte ich, krampfhaft bemüht, die Situation aufzulockern.
    Nachdem wir ein bißchen gegessen und uns dabei verlegen angeschaut hatten, fragte ich Toni, weshalb sie geweint habe.
    »Angst, es könnte noch etwas schiefgehen?«
    Toni fummelte unentwegt an ihren Fingernägeln herum. »Ja. Schon.« Mit einer harschen Bewegung zerrte sie einen Fetzen Nagelhaut von ihrem Daumen. »Auch wenn du mich für verrückt hältst, ich hab auf einmal Schiß vor allem. Vor der Verantwortung, vor …« Sie unterbrach sich und schaute mich mit schiefgezogenem Mund an. »Es ist ein Riesenunterschied, ob du schwanger werden willst oder es plötzlich bist.«
    Toni mochte recht haben, aber so wie sie vorher herumgezetert hatte, sollte sie sich jetzt doch bitte schön zufriedengeben.
    »Und an meinem Geburtstag ist große Offenbarung bei Henriks Eltern?«
    »Sozusagen«, meinte Toni betrübt.
    »Mach nur. Ist schon in Ordnung.«
    »Wirklich?«
    »Ja!«
    Natürlich war nichts in Ordnung. Aber das mußte ich mit mir ausmachen. Als Toni mich fragte, was ich denn an meinem Geburtstag tun würde, fiel meine Antwort derartig patzig aus, daß sie sowieso merkte, wie weh sie mir tat. »Keine Ahnung«, sagte ich. »Däumchen drehen, saufen, Mann, es gibt tausend Möglichkeiten …«
    »Triff dich lieber mit Oskar«, schlug Toni vor.
    Ja, dachte ich, vielleicht ist das eine Möglichkeit. Vielleicht wird Oskar dir ein nettes Geschenk machen, dich rundherum verwöhnen. Scheiß auf Karl und seine blöde Arbeit. Scheiß auf Tonis Zellklumpen. Scheiß auf alles.
    *
    Eigentlich wollte ich mich an besagtem Morgen mit einem starken Kaffee und netten Croissants ins Bett legen, um all die Huldigungen und Gratulationen von einem sicheren und warmen Posten aus entgegenzunehmen, aber dann rief Oskar in aller Frühe an, um mich in den Laden zu zitieren. Er habe in der Nacht unter fürchterlichen Rückenschmerzen gelitten und müsse dringend zum Arzt.
    »Ja, geh nur«, sagte ich kraftlos, und erst nachdem wir aufgelegt hatten, wurde mir klar, daß besagter Oskar, den ich heute abend mit allerlei Meeresgetier zu bekochen gedachte, nicht mal eine läppische Gratulation über die Lippen gebracht hatte. Überhaupt stand das Telefon verdächtig still an diesem Morgen. Als erinnerte sich kein Mensch an meinen Geburtstag. Nur meine Mutter meldete sich mit den besten Wünschen, als ich mit einem kleinen Handtuch um die Hüften aus der Dusche kam.
    »Meine kleine Diva«, sagte sie, nachdem ich mich ausführlich über meine Freunde beschwert hatte. »Es ist gerade mal neun Uhr. Dein Anrufbeantworter wird voll sein, wenn du später nach Hause kommst.«
    Dann erzählte sie mir, schon als kleines Kind hätte ich äußerst trotzig reagiert, wenn eins der eingeladenen Kinder nicht erschienen sei. Zwar hatte meine Mutter mir immer wieder beizubringen versucht, daß ich nicht der Nabel der Welt sei, aber ihre Bemühungen waren offensichtlich fehlgeschlagen.
    So half an diesem trüben Tag nur der Gang in die »Bar Tabac«, wo ich auf die Schnelle frühstückte und mir von Oberkellner Henri – einem von Oskars besten Kunden – den Ladenschlüssel aushändigen ließ. Zum Glück war es den Vormittag über ruhig im Laden. Ich dachte gar nicht daran, irgendwelche Lagerbestände zu überprüfen oder Pullover mit der Schablone zusammenzulegen. Statt dessen machte ich es mir mit einer Schachtel Pralinen aus Oskars Notbeständen hinter dem Tresen bequem und blätterte

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