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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fülscher
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ein paar Modezeitschriften durch.
    Gegen zwölf ging zum ersten Mal die Ladentür auf, und Oskar kam breit grinsend hereingefegt, unter dem Arm einen Strauß mit schätzungsweise dreißig bis vierzig Rosen.
    »Haben sie doch keine Metastasen in deinem Rücken gefunden?« fragte ich, während Oskar mich umarmte und herzte. Was er vorhin an Gratulation versäumt hatte, holte er jetzt derart gründlich nach, daß es mir schon lästig wurde, erst dann rückte er mit seiner Arzt-Story raus. Er leide unter starken Verspannungen, die vom Nacken bis in den Rücken hineinstrahlten, und die Ärztin habe ihm lediglich Massagen plus Fangopackungen verschrieben.
    Das kommt, weil du’s am liebsten gekrümmt im Stehen treibst, dachte ich schadenfroh. Es wunderte mich sowieso, weshalb er als gesundheitsbewußter Mensch nicht auf Sex in der Rückenlage bestand.
    »Dann steht ja unserer kleinen Feier heute abend nichts im Weg«, sagte ich taktvollerweise.
    »Nein, dem steht aber auch rein gar nichts im Weg.« Selten hatte ich Oskar derart aufgeräumt erlebt. »Meine Tochter hat auch kein Fieber mehr.«
    »Na, fabelhaft«, sagte ich und nahm ein weiches, vermutlich mit Kaschmir oder Dessous gefülltes Päckchen entgegen, daser zuvor aus seinem Rucksack gezogen hatte. Bitte keine Unterwäsche, dachte ich noch – erstens fand ich so etwas distanz- und zweitens einfallslos –, doch dann hielt ich ein dunkelblaues Vivienne-Westwood-Shirt mit Viereckausschnitt in den Händen. Schlicht, praktisch und vielfach einsetzbar. Ein Punkt für Oskar.
    *
    »Sylvie, ich werde erst um halb neun da sein. Mir ist noch ein Termin dazwischengekommen.«
    »Klar«, nuschelte ich in den Hörer. »Termin ist Termin. Und in der heutigen Zeit bestimmen Termine nun mal unser Leben. Besser noch, man ist mobil zu erreichen, dann kann man Termine jederzeit canceln, man kann umdisponieren oder ganz nach Belieben neue Termine dazunehmen …«
    »Sylvie!« Ein schriller Piepton – laut Oskar sicher der Vorbote eines Hörsturzes – fuhr durch mein Ohr. »Bist du beleidigt?«
    »Im Gegenteil. So habe ich wenigstens genug Zeit zum Kochen.«
    Das war noch nicht mal gelogen. Nur wurmte es mich, daß Oskar irgendwelche Termine hatte, von denen ich nichts wußte und wahrscheinlich auch nichts wissen durfte. Zum Glück hatte Karl mir ein Päckchen mit Bach-Kantaten und einer netten, wenn auch belanglosen Karte geschickt, von Skip war keine Nachricht gekommen, von meinem Vater ein Briefumschlag mit 500 Mark. Ohne einen Gruß. Einfach so. Ich hätte nicht übel Lust gehabt, die Kohle wieder in den Umschlag zu stopfen und an den Absender zurückzuschicken.
    Ansonsten hatte mein Anrufbeantworter entsprechend der Prognose meiner Mutter eine stattliche Anzahl Nachrichten für mich bereitgehalten. Offensichtlich litten all meine Freunde und Bekannten aus der zweiten Garde doch nicht an Gedächtnisverlust.
    Aber was war mit Toni, meiner Freundin aus der ersten Reihe? In Gedanken hatte ich sie schon abgehakt, mit ihr Schluß gemacht,sie zum Teufel gewünscht, als sie gegen halb acht völlig unerwartet bei mir auftauchte. Mit rosigen Wangen, verstreuten Flecken im Dekolleté und einer in goldenes Papier verpackten Zitruspresse. Wahrscheinlich hatte sie bei der Auswahl des Geschenks eher an ihren eigenen Vitaminbedarf gedacht. Sie entschuldigte sich vielmals, daß sie sich nicht eher gemeldet habe, aber da sie am Morgen Unterleibsschmerzen bekommen habe, sei sie sofort ins Krankenhaus gefahren, wo sie nahezu den ganzen Tag habe herumlungern müssen.
    »Und? Alles in Ordnung?« fragte ich bange. Ein Drama, wenn Toni ihren mühsam erworbenen Zellklumpen verlieren würde.
    »Sie haben Ultraschall gemacht. Und stell dir vor! Es schlägt … das kleine Herz!«
    Toni strahlte, und ich verzieh ihr sofort alles. Ich wollte ihr etwas zu trinken anbieten oder sie zumindest von dem Meeresgetier in der Pfanne naschen lassen, aber Toni trippelte nervös auf ihren spießigen Velourslederpumps herum.
    »Ich vermute, Henrik wartet unten im Auto?«
    »Ja. Er läßt dich auch schön grüßen.«
    »Neue Schuhe?«
    Toni nickte und streckte kurz ihren rechten Fuß in die Luft. Es machte den Eindruck, als sei sie auch noch stolz auf diese Art der Geschmacksverirrung. Um ihr nicht den Abend zu verderben, sagte ich ihr, die Dinger sähen ja ganz passabel aus. Aber als Toni kurz darauf gegangen war, kam mir der Gedanke, daß dies vielleicht die erste Auswirkung einer massiven Hormonumstellung war.
    Oskar

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