Lügen & Liebhaber
kam Oskar hinter mir hergerannt und nahm meine Hand.
»Bitte! Komm doch mit.«
»Sei mir nicht böse, aber ich möchte in mein Bett, ja?«
»Und wenn ich mit zu dir fahre?«
Sanft machte ich mich los. Auch wenn meine Chancen bei ihm heute nicht schlecht standen – nein –, diesmal entschied ich, wo es langging, und mit einem nonchalanten Lächeln verschwand ich im U-Bahnschacht.
*
Welch Glück, daß ich Oskar widerstanden hatte. Denn zwei Tage später lag ein Brief von einem halbwegs weichgeklopften Karl im Briefkasten. Eigentlich verstand ich nicht so recht, was ihn zu der Sinneswandlung bewogen hatte – vielleicht war er mit Skip ein Bier trinken gegangen und wußte von meinem Brief. Einen anderen Grund gab es nicht, mich darauf aufmerksam zu machen, daß ich mein Bild vergessen hätte, und mir mitzuteilen, daß es ihm wegen neulich leid tue, er habe sich wohl etwas in der Wortwahl vergriffen. Oder war es etwa die Überweisung gewesen, dieses alberne Te quiero ?
Sofort schrieb ich Karl zurück. Ich entschuldigte mich ein zweites Mal und drückte auf die Tränendrüse, indem ich die Anfänge unserer Freundschaft, Beziehung, oder was auch immer das gewesen sein mochte, beschwor.
Von Skip hatte ich im übrigen nichts gehört – gut so –, der Radikalentzug war die beste Methode. Zumal ich noch einen hypochondrischen Oskar und einen unentschiedenen Karl in Reichweite hatte …
Die nächsten Wochen brachte ich ohne große Depressionseinbrüche, Sauf- oder Klauorgien herum. Ich fand, ich wurde sogar durch und durch anständig. Veranstaltete mit Toni frühherbstliche Teeabende, jobbte, so oft ich gebraucht wurde, bei Oskar und beschäftigte mich ansonsten damit, meine durch die Turbulenzen des Sommers versiffte Wohnung auf Vordermann zu bringen.
Oskars Untersuchung war, wenn auch unter großen Schmerzen, gut ausgegangen, und ich hoffte inständig, er würde sich bis zum nächsten Hypochonderanfall ein bißchen Zeit lassen. Im Zuge meiner Resozialisierung hatte ich die Fummeleien mit ihm auf ein bißchen Küssen im Auto oder im Lager eingeschränkt. Vielleicht war es albern, aber ich wollte mir auf Teufel komm raus beweisen, daß ich Karl, mit dem ja gar nichts lief und der auch kein zweiter Adriano war, treu sein konnte. Leider hatten meine Disziplinierungsmaßnahmen reichlich absurde Auswirkungen. Oskar wurde nämlich erstmals richtig scharf auf mich. Auch wenn die Anziehungskraft seiner Unterarme im Laufe der Zeit schon um einiges nachgelassen hatte, war das eine harte Prüfung.
Gut eine Woche vor meinem Geburtstag rief Gundi an und fragte mit Schmeichlerstimme, ob ich zur Zeit sehr beschäftigt sei.
»Durchaus. Ich arbeite mich gerade durch einen riesigen Berg Abwäsche.«
»Hör zu, Sylvie. Wir brauchen dich für Die Liebe zu den drei Orangen.«
Ach ja? Ging man etwa davon aus, ich hätte in der letzten Zeit ein verjüngendes Säurepeeling durchgeführt?
»Sophie ist raus. Sie packt die Schrittkombinationen einfach nicht … Falls du Lust hast: Heute um fünf ist Probe …«
»Gundi! Die Regisseurin wollte mich nicht! Jetzt will ich nicht mehr!«
»Aber wir haben eine phantastische Gage ausgehandelt. Wirst sehen. Und dann die zehn Vorstellungen en suite …«
Ich ließ mir die genauen Zahlen nennen, Grund genug, schließlich einzulenken. Und ich hatte Glück: Stanislaw war ausnahmsweise mal nicht gegen Konstantin ausgetauscht worden, so daß mir ein paar schöne, entspannte Proben beschert wurden. Außerdem sah ich Toni jetzt wieder regelmäßiger. Das kam mir bei meinem neuerdings soliden Lebenswandel sehr entgegen. Ich liebte es, einfach nur nett mit ihr zu plaudern, ohne daß mich das schlechte Gewissen plagte, weil ich noch die eine oder andere Beichte abzuleisten hatte. Wir verstanden uns wirklich prächtig, was nicht zuletzt daran lag, daß Toni beste Laune hatte. Sie war sich plötzlich ganz sicher, daß sich die Quälerei beim Gynäkologen auch wirklich lohnen würde.
»Was machst du an deinem Geburtstag?« fragte mich Toni, als wir nach einer Probe bei einem Clubsandwich in der Kantine saßen. »Big Party?«
Eigentlich hatte ich mir noch keine Gedanken darüber gemacht, aber wenn ich mir vorstellte, ein paar Freunde in meine Bude zu laden, um mit ihnen biertrinkenderweise das neue Lebensjahr einzuläuten, verging mir jetzt schon die Lust.
»Vielleicht sollte ich Karl herbestellen«, dachte ich laut. »Da müßte sich doch noch was machen lassen …«
Toni fand, das sei eine
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