Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)
vielleicht deren Körpergröße) orientieren? Oder sollte es auch hier einen »dritten Mann« oder eine »dritte Frau« geben?
Zunächst einmal aber zu den Hintergrundvariablen, die sowohl den Bevölkerungsanteil von Menschen ausländischer Herkunft als auch die Kriminalität stark beeinflussen.
das Alter: Kriminalität ist stärker ausgeprägt bei jungen Menschen. Unter den Migranten ist der Anteil der Jugendlichen überdurchschnittlich hoch, weil es weniger Migranten im Rentenalter gibt, und weil Migrantenfamilien im Durchschnitt mehr Kinder bekommen als die »eingeborenen« Familien; 7
das Geschlecht: Die meisten Kriminellen sind männlich; unter den Migranten ist der Männeranteil ebenfalls überdurchschnittlich groß, 8 weil zunächst fast ausschließlich
Männer als sogenannte Gastarbeiter nach Deutschland gezogen sind; weil Männer stärker als Frauen dazu neigen, ein Flüchtlingsschicksal auf sich zu nehmen; und vielleicht auch deshalb, weil in stärker patriarchalisch geprägten Familien Söhne beliebter sind als Töchter und deshalb eine größere Überlebenschance haben;
die soziale Schicht: Örtliche Polizeiwachen erfassen hauptsächlich Delikte wie Diebstahl, Einbruch, Körperverletzung, Raub. Solche Taten werden überwiegend von sozial Schwachen begangen. Und leider sind viele Migranten eher in den sozial schwächeren Kreisen der Bevölkerung zu finden. Bei Taten wie Steuerhinterziehung oder Wirtschaftsund Umweltvergehen ist das anders, aber dieser Teil der Kriminalität geht in die örtliche Polizeistatistik gar nicht ein;
der Rassismus der bestohlenen Deutschen, der deutschen Kaufhausdetektive und Polizisten: Er sorgt dafür, dass im Zweifelsfall eher ein türkisch- oder russischstämmiger Jugendlicher der Tat verdächtigt wird als ein deutschstämmiger; dass gut deutsch aussehende Kriminelle also wahrscheinlich eine größere Chance haben, unentdeckt zu bleiben. Für Schwarze, egal, welcher Nationalität, gilt das noch verschärft;
Großstädte: Migranten leben vorwiegend in Großstädten, weil es dort für sie die meisten Arbeitsplätze gibt; Kriminalität konzentriert sich ebenfalls auf Großstädte. Diese Variable wirkt allerdings nur dann, wenn die vergleichende Statistik auf ganz Deutschland bezogen wird und nicht, wie bei unserer Diskussion mit der Polizei, auf eine einzelne Stadt wie Köln.
Zu diesen relativ offensichtlichen Variablen kommen die komplexeren Felder Familienstand, Bildungsstand und Erwerbstätigkeit hinzu: Einwohner mit Migrationshintergrund sind häufiger ledig, häufiger erwerbslos und haben häufiger als die übrigen Einwohner keinen Schul- oder Berufsabschluss – nicht zuletzt wegen sprachlicher Probleme. Alle diese Merkmale treten auch bei Kriminellen besonders häufig auf.
Der Polizist ließ sich von diesen ausführlichen Einwänden schließlich überzeugen und revidierte seine Position. Anders sah das bei vielen Leuten im Viertel aus, mit denen wir sprachen. Wir mussten erkennen, dass grobe Vereinfachungen oft ziemlich resistent gegen logische Einwände sind, vor allem dann, wenn sie private Alltagserfahrungen zu bestätigen scheinen und schmeichelhaft für denjenigen sind, der sie ausspricht.
Faschisten und andere Demagogen machen es manchmal besonders geschickt und behaupten in Diskussionen gar nicht offen eine Kausalität. Sie sagen also nicht: Die Ausländer sind häufig kriminell; deshalb müssen sie verschwinden. Sondern sie sagen etwa: Seit die vielen Ausländer da sind, ist die Kriminalität stark gestiegen. Die Folgerung auf die (vermeintliche) Ursache überlassen sie elegant ihren Zuhörern; und die rein zeitliche Abfolge ist schwer zu bestreiten. Jörg Haider in Österreich und Christoph Blocher in der Schweiz waren und sind Meister dieses Fachs. Besondere Vorsicht ist also geboten bei Behauptungen nach dem Muster: »Seit ich in der Mannschaft spiele, haben wir nicht mehr verloren« oder »Seit ich Kanzler(in) bin, sinkt die Arbeitslosigkeit« oder allgemein: Seit A gilt, können wir auch B feststellen. Selbst wenn der zeitliche Zusammenhang gilt, ist damit A noch lange nicht die Ursache für B.
Das Geschlecht ist übrigens die entscheidende Hintergrundvariable der Korrelation zwischen Durchschnittseinkommen und Schuhgröße: Männer haben die größeren Füße – und die höheren Einkommen. Bezieht man die Korrelation auf die gesamte Bevölkerung, kommt noch das Alter als Hintergrundvariable hinzu: Kinder und Ältere haben in der Regel kleinere Füße
Weitere Kostenlose Bücher