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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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drüben« – er zeigt auf die bayerische Truhe – »gesperrt habe, hat sie einen Vogel.« Er hält seinen Zeigefinger an die Schläfe und dreht ihn dort um sich selbst. »Na ja, war eben immer schon sehr empfindlich, mein kleines Schwesterchen. Und so ’ne Konfrontationstherapie soll ja Wunder wirken.«
    Er kommt zu mir, reißt mich in seine starken Arme und wirbelt mich herum, dabei sind wir gleich groß. »Das ist großartig, Mams wird begeistert sein.«
    Ich könnte ihn vierteilen, zersägen, vergiften – oder besser gleich umbringen. Mein blöder Bruder gehört auf einen Planeten ganz am anderen Ende des Universums. Er macht alles kaputt.
    Landgraf grinst mich an und scheint zu fragen, was er jetzt sagen soll.
    »Jury, stopp mal, hier geht es nicht ums Klettern, sondern …«
    »Okay, okay, ich verstehe, du willst nicht darüber reden. Ist schon gut, ich werde es keinem verraten.«
    Guter Witz! Wenn Jury verspricht, ein Geheimnis zu bewahren, dann kann man sich genauso gut mit einem Megafon auf den Marienplatz stellen.
    »Nein!«, brülle ich deshalb, um dem Ganzen ein Ende zu machen.
    »Dieser Mann ist einfach nur mein Lehrer an der Berufsschule.«
    Daraufhin schaut Jury ihn sich noch einmal genauer an und schüttelt dann den Kopf. »Aber was machen Sie dann hier bei meiner Schwester? Ohoo, jetzt kapiere ich …« Sein Blick wandert von meinem tiefen Dekolleté bis zum Ende meines kurzen Kleides, gleitet die nackten Beine entlang und endet an den hochhackigen Schuhen und ich merke, wie mir das Blut in die Wangen schießt.
    Ich verfluche meinen Bruder erneut. Warum muss er auch ausgerechnet jetzt hier hereinplatzen? Auf gar keinen Fall darf in ihm der Verdacht aufkommen, dass ich Landgraf anmachen wollte – so wie ich Jury kenne, würde er sich als Beschützer aufspielen, und das würde alle unsere Pläne zerstören. Was Mila wohl sagen würde, wenn sie gerade hier wäre …?
    Auch Landgraf fühlt sich unbehaglich unter Jurys Blicken und ich beschließe, dass ich retten muss, was noch zu retten ist.
    »Es ist so, ich wollte Herrn Landgraf nur meine neuen Entwürfe zeigen.« Ich deute auf meine Ohrringe.
    »Und dazu kommen die Lehrer neuerdings also direkt nach Hause zu den Schülerinnen. Nur zu den Schönen, die allein wohnen, oder auch zu den anderen?« Jurys blaue Augen fangen an, gefährlich zu funkeln. »Und was lassen Sie sich dann sonst noch so zeigen?«
    Jetzt mischt sich Landgraf ein. »Sie sind auf dem falschen Dampfer. Ally, gestehen Sie es Ihrem Bruder doch ruhig, wir wollten tatsächlich darüber reden, ob und wie wir eine Höhlenkletteraktion durchführen könnten, um Ihnen zu helfen.« Er zwinkert mir zu.
    Mir wird schwindelig. Warum tut er das? Wieso lügt er denn jetzt?
    Jury schaut von ihm zu mir und zurück, dann fällt sein Blick wieder auf die Ohrringe. »Sehen wirklich gut aus.«
    Ich fasse die Silberscheiben im Ohr an wie einen Rettungsanker und bin vollkommen verwirrt. Die Gedanken drehen sich immer schneller und schneller in meinem Kopf, als säße ich in einem wahnsinnig gewordenen Kettenkarussell.
    Ich weiß nicht, wie ich auf Landgrafs Aussage reagieren soll. Eins steht fest: Ich kann nicht so tun, als wollte ich Höhlenklettern gehen, das mache ich nicht. Niemals. Andererseits – wenn ich auf Landgrafs Lüge einsteige, dann sind wir uns einen Schritt näher gekommen. Und das ist schließlich genau das, was Mila wollte. Und Jury kann ich später dann einfach sagen, ich hätte eben doch einen Rückzieher gemacht.
    Oder noch besser – ja, das ist überhaupt die genialste Idee von allen! Ich gehe wirklich mit Landgraf zum Klettern, kriege vor Ort einen hysterischen Anfall (den brauche ich nicht mal zu spielen, dazu genügt es, in die Höhle reinzuschauen!), dann muss er mich trösten, und Bingo – genau in diesem Moment schießt Mila die Fotos.
    »Na gut, Jury«, sage ich und versuche, mich zu erinnern, wie mies ich mich als kleines Mädchen gefühlt habe, als ich Scheiblettenkäse in seinen neuen CD-Player gestopft habe, damit ich wenigstens ein bisschen schuldbewusst klinge. »Du hast mich erwischt. Aber bitte verrate es niemandem. Das soll unser Geheimnis bleiben, schließlich hab ich’s noch nicht geschafft, okay?«
    Ich darf ihm nicht in die Augen sehen, denn Jury kennt mich besser als jeder andere Mensch auf der Welt und er lässt sich nie von mir täuschen. Bisher jedenfalls.
    »Okay.« Jury nickt, dabei gerät seine teure Ray–Ban-Sonnenbrille ins Rutschen und fällt auf

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