Lügennetz: Thriller (German Edition)

schließlich überschwänglich mit den Schultern zuckte. » Was weiß ich? Müssen verloren gegangen sein. Vielleicht hat sie eine Ratte gefressen, oder sie sind verdampft. Wir sprechen hier schließlich von siebzehn Jahren. War’s das, oder müssen Sie noch auf die Toilette, bevor Sie gehen? «
    Draußen auf dem Parkplatz hatte Charlie Mühe, den Mietwagen zu öffnen, bis er plötzlich den Schlüssel zu Boden schleuderte und sich neben den Wagen auf den Betonsockel setzte.
    Mit meinen eigenen depressiven Gedanken kämpfend, setzte ich mich neben ihn.
    Peter wusste, dass ich lebte.
    Das war schlimm. Ungefähr das Schlimmste, was mir passieren konnte. War er noch in New York? Ich überlegte, Emma anzurufen und ihr zu sagen, sie solle aus der Wohnung verschwinden, bis mir einfiel, dass sie bei ihrer Freundin in Brooklyn war. Sollte ich direkt nach Hause fliegen, meine Tochter schnappen und abhauen? Ich war schon einmal abgehauen und könnte es wieder tun. Einen Pfeil auf eine Landkarte werfen und los. Aber selbst wenn Peter hinter mir her wäre, wüsste er zumindest nichts von Emma.
    Ich hätte nicht überrascht sein dürfen, dass Peter zum Polizeichef aufgestiegen war. Er war immer ehrgeizig gewesen. Aber die Angehörigen der Opfer des Fallschirmmörders zu vertreten? Was für ein Schauspieler! Er musste all die Jahre gebebt haben vor Freude, nachdem er davon ausgehen durfte, dass ich tot war, ohne dass er selbst mich hatte töten müssen.
    » Die Polizei hat diesen Beweis vernichtet, Nina « , sagte Charlie schließlich. » Die verarschen uns. Denen ist es egal, dass ein Unschuldiger stirbt. Allen ist das egal. Das war’s, Nina. Der Ofen ist aus. Wir sind am Ende. Justin ist am Ende. Wir müssen das Unvermeidliche akzeptieren. «
    Ich dachte darüber nach. Vielleicht hatte Charlie recht. Vielleicht sollte ich Charlie und Justin die Sache allein auf die Reihe kriegen lassen. Jeden für sich selbst.
    Doch hier zwischen den Polizeiwagen, mit dem klebrigen Asphalt unter meinen Zehnzentimeterabsätzen, überwog die Wut über meine Angst. Ich hatte es satt davonzulaufen. Hatte Peter satt. Hatte die Person satt, zu der ich geworden war.
    Ich würde nicht mehr davonlaufen, würde mich nicht mehr verstecken. Ich würde endlich das Richtige tun.
    » Es gibt nichts Unvermeidliches « , sagte ich schließlich, erhob mich und streckte Charlie meine Hand hin, um ihm aufzuhelfen. » Sie haben diese Schlacht gewonnen. Jetzt ziehen wir los, um den Krieg zu gewinnen. «

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    Nachdem wir die Autoschlüssel gefunden hatten– Charlie hatte sie unter einen der Polizeiwagen geschleudert–, fuhren wir auf den Parkplatz eines nahegelegenen Schnellrestaurants, wo ich Charlies chaotische Akten wie eine Besessene durchblätterte.
    Ich hatte es geschafft, allein und ohne Geld, aber mit eiserner Willenskraft in New York eine Tochter großzuziehen. Jetzt war ich sauer. Ich hatte die Absicht, Justins Fall wieder in Ordnung zu bringen, auch wenn ich dabei draufgehen würde.
    » Wonach suchst du? « , rief Charlie.
    Ich zog ein Blatt heraus, auf das Charlie in großen Buchstaben » INFOS ZU HARRIS ’ ALIBI « gedruckt hatte. » Das hier « , sagte ich.
    Dort stand der Name von Harris’ Exverlobter: Fabiana Desmarais. Sie war Immigrantin aus Haiti und lebte in Princeton in Florida ein paar Kilometer nördlich des Gefängnisses von Homestead.
    » Wie weit ist Princeton von hier entfernt? « , fragte ich. » Wir müssen mit Fabiana sprechen. «
    » Immer schön langsam « , beschwerte sich Charlie. » Das habe ich schon vor dem Antrag zur Prüfung des Freiheitsentzugs getan. Nicht nur, dass mich Fabianas Mutter nicht mit ihr sprechen ließ, sie hat sogar ihren Hund auf mich gehetzt, einen halb verhungerten Boxer mit schlechten Manieren. «
    » Hey, vielleicht nervst du Hunde genauso wie Menschen « , frotzelte ich. » Ich würd’s auch gerne mal bei ihr versuchen. «
    » Ach, stimmt « , sagte er. » Wir bringen hier deine Geheimwaffe zum Einsatz: Charme. Ich vergaß die universelle Liebe, die alle Menschen für durchsetzungsstarke Weiber aus New York haben. «
    Wir fuhren über die Mautstraße, dann im Zickzack durch ein paar Seitenstraßen, bis wir vor einem Schild hielten, auf dem » homestead mobile homes « stand.
    » Nein! « , rief ich, als wir die Adresse erreicht hatten. Hinter einem verrosteten Briefkasten stand ein verlassener, doppelbreiter Wohnwagen mit zerbrochenen Fensterscheiben.
    » Ich bin der Manager. Kann ich Ihnen helfen? «