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Luegenprinzessin

Luegenprinzessin

Titel: Luegenprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Miedler
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Überfluss war Norbert heute Vormittag nicht mit von der Partie und ich hegte den leisen Verdacht, dass Mr Bean die Orientierung verloren hatte.
    Irgendwie hatte es sich ergeben, dass ich direkt hinter David marschierte. Er war echt lieb, achtete darauf, dass er mir jeden Zweig, den er zur Seite bog, um durchzukommen, vorsichtig übergab, damit ich mich nicht verletzte. Ich dachte gerade, dass ich ewig so hinter ihm hergehen könnte, als Joes Stimme erklang, die nach David rief. Schnalz! Ein dicker dorniger Zweig knallte mir mitten ins Gesicht, und was noch viel schlimmer war, ins rechte Auge. »Autsch«, stöhnte ich, zwinkerte wie verrückt und fummelte an meinem Auge herum. Dabei versuchte ich zu lächeln, um David zu zeigen, dass ich ihm nicht die Schuld gab und außerdem keine wehleidige Prinzessin auf der Erbse war. Wobei es in Wahrheit verdammt wehtat. Vor allem als ich bemerkte, dass David nicht einmal stehen geblieben war, sondern bereits viel weiter vorne war und mit Joe herumalberte.
    Ich zwinkerte weiter, wunderte mich, dass ich immer noch so verschwommen sah, und bückte mich schließlich fluchend. Auch das noch, meine Kontaktlinse war futsch. Das war der absolute Horror!
    »Mieze, was’n los? Suchst du den Boden nach deiner verlorenen Unschuld ab? Die kriegst du nie wieder, fürchte ich.«
    »Sehr witzig«, knurrte ich, besonders grantig, denn ich spürte, dass ich den Tränen nahe war. Felix hockte sich neben mich, aus dem Augenwinkel sah ich, wie er prüfend den Waldboden betrachtete. »Wenn du mir sagst, wonach wir suchen, werde ich vielleicht schneller fündig.«
    »Nach meiner Kontaktlinse.«
    »Auweia.« Er begann wie ich, den feuchten Boden abzutasten. Ich wusste, es war ein absolut sinnloses Unterfangen, war Felix aber trotzdem dankbar, dass er es dennoch versuchte.
    Bieningers Stimme drang zu uns. »So, wo ist denn das Fräulein Mia schon wieder?«
    »Shit«, fluchte ich und sprang hoch.
    »Geh nur, ich such alles ab.«
    »Danke dir!«
    Um mich bis zu Mr Bean durchzukämpfen, musste ich auch an David vorbei. Am liebsten hätte ich ihm ja verklickert, was er soeben verbrochen hatte, aber wie sollte ich das tun, ohne als wehleidige nachtragende Tussi dazustehen? Am besten wohl gar nicht.
    Mr Bean zog die Stirn in Falten, als er mich sah. »Was ist denn mit deinem Auge? Du schielst ja!«
    »Echt?«
    Diana schob sich zwischen uns und inspizierte mein Gesicht. »Ja wirklich! Dein eines Auge wandert dauernd nach außen.«
    Ach das. Na gut, das kannte ich schon. Ich räusperte mich. »Ich hab leider grade meine Kontaktlinse verloren –«
    »Irgendwann wirst du noch deinen Kopf verlieren, Fräulein. Aber trotzdem, das gefällt mir gar nicht, wie dein Auge reagiert. Das sieht äußerst ungesund aus.«
    Ich seufzte. »Ich hab halt viele Dioptrien. Und wenn ich nur eine Linse drinhab, dann macht das andere Auge anscheinend Urlaub, weil ja das eine mit der Linse die ganze Arbeit übernimmt.«
    Tobi, der nur die Hälfte meiner Erklärung mitbekommen hatte, fragte laut: »Sonst geht’s dir aber noch gut, oder?«
    Einige lachten, auch David verzog das Gesicht zu einem kleinen Grinsen. Da ging es mit mir durch. Ich warf ihm einen bösen Blick zu und zischte. »Dachte nicht, dass du auch so ein Arsch bist. Erst schlägst du mir den Zweig ins Gesicht, sodass ich meine Linse verliere, und jetzt findest du das auch noch lustig. Ihr seid ja alle so cool, echt!«
    Das Grinsen war schlagartig aus Davids Gesicht verschwunden. Ich blinzelte nervös. Meine Chancen bei David hatte ich mir nun wohl für immer verspielt. Bravo, Mia!
    »Mia! We would love to hear your presentation now.«
    »Äh, now already?« Mit meinem Englisch war es leider nicht zum Besten bestellt, aber ich hatte mich, so gut es ging, vorbereitet. Weil ich eben nicht wie ein Vollidiot vor der ganzen Klasse dastehen wollte. Dafür war ich jetzt ein schielender Freak mit einem Auge, das einen eigenen Willen zu haben schien. Das Blöde war, dass ich gar nicht merkte, was mein Auge gerade machte. Ich registrierte nur, dass ich mit dem einen ganz normal sehen konnte, während die andere Seite vollkommen verschwommen blieb.
    Schicksalsergeben stieg ich auf den Baumstumpf, auf den Mr Bean zeigte, und kramte meine Zettel heraus. Den Kopf stur über das Papier gebeugt, leierte ich meinen Vortrag herunter. Ich hatte Mühe, meine Notizen zu lesen. Das sehende Auge musste sich dermaßen anstrengen, dass es brannte und zu tränen begann. Hoffentlich sah es nicht

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