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Luegenprinzessin

Luegenprinzessin

Titel: Luegenprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Miedler
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flackerte ein kurzes Grinsen über ihr Gesicht, das sie jedoch schnell wegzwinkerte.
    Ich ließ die nächste Pause zu, überlegte lange, wie ich am besten weitermachte, dann sagte ich schlicht: »Erzähl mir doch einfach, warum dich alles so nervt, hm?«
    Ein Schnauben war ihre einzige Antwort, also sprach ich weiter: »Okay, dann sag ich dir, was mich zurzeit alles nervt, aber ich warne dich, das ist eine richtig lange Liste.« Ich holte tief Luft: »Mich nerven zum Beispiel meine Eltern mit ihrem plötzlichen Jugendwahn. Mein Vater wirft seinen Job hin und beginnt, Fantasybücher zu schreiben. Für Jugendliche! Als ob die Welt noch einen Vampir oder Zauberer oder Hobbit bräuchte. Und meine Mutter rennt ständig vor der Baustelle in unserer Straße auf und ab, weil sie hofft, dass die Arbeiter ihr nachpfeifen. Voll peinlich! Ehrlich, manchmal überlege ich, ob ich denen ein bisschen Geld in die Hand drücke, damit sich endlich einer erbarmt. Und Chris! Diese Neunmalklugscheißerei kann doch keiner mehr hören. Und Felix ist noch viel schlimmer – echt, wie will der Typ jemals eine Freundin abkriegen, wenn er ständig nur den Clown raushängen lässt? Manchmal würde ich ihm wirklich gern in den Hintern treten, damit er sich mal bemüht –«
    »Du stehst auf ihn«, unterbrach Diana meine Tirade.
    Ich erschrak richtig, als sie das sagte. Vollkommen ruhig hatte sie den Satz vorgebracht, absolut selbstverständlich. Ich vergaß, dass ich eigentlich gekommen war, um ihr zu helfen, und fuhr sie entrüstet an: »Sag mal, spinnst du? Wie kommst du auf so einen Schwachsinn?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Reg dich wieder ab, ja? Mir ist das doch egal. Entweder checkst du es selbst irgendwann oder eben nicht.«
    Ich explodierte. »Jetzt sag doch endlich, wie du auf so was kommst! Ich stehe überhaupt nicht auf ihn. Überhaupt nicht!«
    Jetzt grinste sie wirklich. »Kannst du dich leicht aufregen.«
    »Ich? Du bist doch diejenige, die ständig herumschreit und alle zur Schnecke macht. Das muss doch einen Grund haben, so warst du doch früher nicht.«
    Sie sagte nichts. Ihr Schweigen machte mich fast wahnsinnig, am liebsten hätte ich sie geschüttelt. Dass der Hauptgrund für meine Aggression ihre Behauptung war, ich wäre in Felix verliebt, wollte ich mir nicht so recht eingestehen. Wütend sprang ich auf. »Ich wollte dir nur helfen. Du bist meine Freundin und ich verstehe nicht, wieso du dich mir nicht anvertraust. Ich erzähl dir doch auch alles!«
    »Alles? Und was ist mit David?«
    »Ach das«, ich machte eine abwehrende Handbewegung, »das war nicht so wichtig. Die wirklich wichtigen Dinge –«
    Jetzt sprang Diana auch auf. Und schrie: »Mensch, du nervst!«
    »Du auch«, rief ich erbost. »Und ich verstehe nicht, dass –«
    »Ich bin lesbisch!«, brüllte sie plötzlich. Und riss dann selbst erschrocken die Augen auf. Wahrscheinlich, weil sie es so laut kundgetan hatte, dass es bestimmt übers halbe Grundstück zu hören gewesen war, vielleicht aber auch, weil sie es zum ersten Mal überhaupt laut ausgesprochen hatte. Beinahe tonlos und ohne mich anzusehen murmelte sie: »So, jetzt weißt du es.«
    Meine erste Reaktion war die denkbar dämlichste. »Echt?«
    »Nein, unecht«, erwiderte sie natürlich. »So unecht, wie man nur unecht lesbisch sein kann.«
    »Sorry, war blöd von mir. Okay… Wow, ist doch super.«
    Sie ließ sich zurück auf ihren Schlafsack fallen. »Ja, echt total super.«
    Ich setzte mich neben sie. »Seit wann… weißt du es?« Hoffentlich hatte ich jetzt nicht wieder einen Blödsinn von mir gegeben.
    Nach einer kurzen Pause antwortete sie: »Ich weiß es seit ein paar Monaten. Gefühlt hab ich es aber schon vor über drei Jahren.«
    Ich nickte. »Ist sicher nicht ganz leicht, oder?«, wagte ich eine Mutmaßung.
    »Was denkst du denn? Es ist eine Katastrophe. Meine Eltern – keine Ahnung, die würden mich vermutlich umbringen oder zumindest enterben. Und eine Partnerin werde ich auch nie finden. Ich kenn ja nicht mal lesbische Mädchen. Und selbst wenn… wie soll ich das jemals meinen Eltern beibringen?«
    »Okay, mal eins nach dem andern«, schlug ich vor. »Deinen Eltern musst du es ja nicht gleich heute sagen. Du kannst dir doch eigentlich so lange damit Zeit lassen, wie du willst. Und wer weiß, vielleicht reagieren sie ja total cool.«
    Diana schnaubte. Dann begann sie zu weinen.
    In all den Jahren, die ich sie kannte, hatte ich sie erst einmal weinen gesehen. Das war an dem Tag, an

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