Luegenprinzessin
so aus, als ob ich heulte! Mein Publikum scharrte mit den Füßen, hustete und kicherte. War ohnehin besser, wenn keiner zuhörte.
Nachdem ich geendet hatte, seufzte Mr Bean vernehmlich und versetzte mir dann den Todesstoß, indem er mich bat, auf meiner Bühne stehen zu bleiben, und meine Kollegen aufforderte, mir Fragen zu stellen. Ich hob den Kopf, alle starrten mich an.
Als wäre ich der Höhepunkt einer Freak-Show, dachte ich. Trotzig beschloss ich, den Kopf nicht mehr zu senken. Es passiert mir selten, aber eben doch, dass ich in Situationen, in denen mir jede Würde genommen wird, vollkommen unverhofft Stolz entwickle. So wie vor ein paar Jahren, als ich während des Unterrichts unbemerkt meine Tage bekam und an die Tafel gerufen wurde – in einer weißen Jeans. Natürlich hatte die ganze Klasse den Schaden schnell entdeckt, ich jedoch musste erst von unserer alten verknöcherten Geschichteprofessorin darauf aufmerksam gemacht werden: »Meine Güte, Mädchen. Du hast da – schnell, aufs Klo mit dir.« Kapiert hatte ich es aber erst, nachdem Diana und Vero es mir mit allerlei Grimassen und Handbewegungen klargemacht hatten. Im Hinauslaufen war ich plötzlich stehen geblieben und hatte mich aufrecht hingestellt, das Gesicht der feixenden Klasse zugewandt. »Ihr seht ja alle so geschockt drein«, hatte ich zu ihnen gesagt, obwohl das natürlich nicht stimmte, aber das war unwichtig. »Ihr Armen! Hat euch niemand aufgeklärt?«
Exakt dieses Gefühl hatte ich jetzt wieder. Erhobenen Kopfes musterte ich die Untenstehenden, als wären sie diejenigen, die seltsam waren. Nur David würdigte ich keines Blickes.
Chris erbarmte sich meiner und stellte mir eine Frage, die ich in meinem Referat schon beantwortet hatte, sodass ich die Erklärung problemlos herunterleiern konnte. Im Stillen dankte ich ihm dafür. Mr Bean gab sich auch endlich zufrieden und ich durfte von meinem Baumstumpf heruntersteigen.
»Mia?« Es war Davids Stimme, die von hinten an mein Ohr drang, ich erkannte sie sofort.
»Was denn?«, fragte ich, ohne mich umzusehen.
Jetzt kam er um mich herum und sah mir ins Gesicht, automatisch senkte ich den Kopf. Dann dachte ich an vorhin, dachte an meinem Stolz, und hob ihn gleich wieder.
»Mir tut das voll leid, das mit deiner Linse«, er stammelte fast ein wenig und ich lief Gefahr, ihn sofort wieder süß zu finden. »Soll ich dir suchen helfen?«
David und ich allein in den Büschen. Vielleicht–
»Kommst du, David?« Es war Joe. Sofort schwand Davids Aufmerksamkeit mir gegenüber.
Ich musste mich zusammenreißen, um nicht loszubrüllen. »Passt schon«, presste ich hervor. »Die findet eh keiner mehr.«
»Aber ich zahl sie dir natürlich.«
Ich winkte ab. »Sind nur Wochenlinsen, zu Hause hab ich ganz viele.«
»Und hier hast du keinen Ersatz mit?« Jetzt wirkte er doch wieder etwas besorgt.
»Nur meine Brille«, erklärte ich, woraufhin er erleichtert »Cool« sagte.
Ja, ganz cool. Du hast mich ja noch nie damit gesehen.
Auf dem Rückweg traf ich auf Felix, der mitfühlend den Kopf schüttelte und etwas auf seinem Zeigefinger balancierte, das aussah wie ein Geleetropfen. Meine halbe Kontaktlinse. Ich nahm sie ihm ab.
»Tut mir echt leid, Mieze.«
»Ist schon gut. Und danke für die Hilfe!«
War ja wirklich sehr lieb von ihm gewesen. Er, der nichts dafür konnte, half mir, während David… aber gut, Felix war eben ein echter Freund und David ein Idiot. Aber ein verdammt süßer! Und wenn wir erst fest zusammen waren, dann würde sich David sicher so lieb um mich kümmern wie Felix gerade. Ganz, ganz sicher. Ja, Mia, und im Lotto gewinnst du auch bald und in deinem Zeugnis werden sicher lauter Einsen stehen und die nächste Miss Austria wirst du natürlich auch werden! Wenn meine innere Stimme nicht so spottend geklungen hätte, hätte ich bei dem Gedanken vielleicht gelacht.
Für das Flussprojekt sollten wir uns in drei Gruppen teilen. Weil die Aufgabenverteilung nicht ganz gerecht war, schlug Bieninger vor, drei unterschiedlich große Gruppen zu bilden. Vero, Diana, Felix, Chris und ich taten uns zur größten Gruppe zusammen und bekamen den Auftrag, nicht nur Wasserproben zu entnehmen, sondern zudem Exemplare sämtlicher Pflanzengattungen, die am und im Fluss wuchsen, einzusammeln und hinterher im Internet ihre Namen und ihre wichtigsten Eigenschaften rauszusuchen.
»Laaaangweilig«, raunte Felix.
»Pscht«, machte ich. Ich versuchte, nicht allzu sehr über das Problem David
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