Luegenprinzessin
nachzudenken, der übrigens – wie konnte es auch anders sein – mit Joe in einer Gruppe gelandet war. Während ich mich also bemühte, mich auf alles außer auf ihn zu konzentrieren, und ihm zufällig einen Blick zuwarf, merkte ich, dass er mich auch ansah. »Alles okay?«, formte er stumm mit den Lippen. Ich musste mir ein Lächeln verbeißen und nickte. Das hatte er schon gut drauf. Jedes Mal, wenn ich dachte, ich wäre ihm völlig egal, tat er irgendetwas, das mich –
»Sag, hörst du mir überhaupt zu, Mieze?«
»Häh?«
»Okay, sie hört mir nicht zu«, erklärte Felix den anderen.
»Spielt in Gedanken die ganze Zeit die Knutscherei nach«, mutmaßte Diana.
»Tu ich nicht«, zischte ich und unterdrückte mühevoll den Impuls, mich nach David umzudrehen, um sicherzugehen, dass er Dianas Bemerkung nicht gehört hatte.
»Hätte echt nicht gedacht, dass ihr beiden aufeinander abfahrt«, sagte Felix abfällig. Ich überlegte, ob er sich vor allem darüber wunderte, dass so ein Typ wie David auf so eine wie mich abfährt. Aber hauptsächlich ärgerte ich mich. Ärgerte mich darüber, dass meine sogenannten Freunde mir den Flirt – oder was es auch immer war – mit David anscheinend überhaupt nicht gönnten.
»Rein evolutionstechnisch ist es kein schlechter Schachzug, sich als Vater ihrer Kinder David auszusuchen.«
»Vater ihrer Kinder?« Felix’ Stimme überschlug sich beinahe.
Ich hielt ihm die Hand vor den Mund. »Wie meinst du das?«, fragte ich Chris neugierig.
»Du bist dunkel, er ist blond. Oh, Mist, ich hab vergessen, dass deine Mutter ja auch blond ist. Also habt ihr doch eine fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit auf blonde Kinder. Tja, Pech.«
»Was soll denn das heißen?«, brauste Diana auf.
Chris sah sie verwirrt an. Betont langsam und bedächtig, als spräche er mit einem vorlauten Kind, sagte er: »Der Mensch möchte sicherstellen, dass sein Ebenbild die Welt bevölkert. Das Streben danach –«
»Hört sich für mich verdächtig nach Nationalsozialismus an«, unterbrach ihn Diana.
Chris erstarrte für einen Moment. Dann stieß er hervor: »Was willst du damit sagen?«
»Hey, beruhige dich, Mann.« Felix legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Diana, du solltest dich für den Quatsch entschuldigen«, meinte Vero.
»Sag mal, habt ihr sie noch alle?«, brauste Diana auf. »Ich hab Chris doch nicht als Nazi bezeichnet, sondern nur gemeint, dass – scheiß drauf, vor euch muss ich mich echt nicht rechtfertigen!« Wütend dampfte sie ab, das Wasser spritzte bei jedem ihrer Schritte in die Höhe.
»Mo-ment, Fräulein!«, rief Bieninger aufgebracht.
»Ich muss mal!«, schrie Diana und stampfte davon.
Ratlos blickten wir anderen uns an.
Als ich auf dem Rückweg sah, dass David ein paar Tropfen seiner Wasserprobe dazu benutzte, Joes Nacken zu befeuchten, woraufhin diese amüsiert kreischte, kehrte die Eifersucht zurück. Mit einer Heftigkeit, die mir den Atem nahm, und einem schmerzhaften Stechen in meinem Brustkorb. Dabei wollte ich doch nichts lieber, als wieder dieses schöne Gefühl von heute Morgen verspüren.
Wieder einmal stellte ich mir vor, dass mein Leben ein Film war. Das half meistens. Ich sah mir selbst von außen zu, wie ich mit einigem Abstand hinter David und Joe herging. Hinterher schlich, wäre wohl das passendere Wort gewesen. Echt erbärmlich! Was würde eine Filmheldin jetzt wohl tun? Sicher nicht in Selbstmitleid zergehen und vollkommen passiv auf bessere Zeiten warten. Nein, sie würde etwas unternehmen. Nur was?
Als Erstes aber wollte ich mich um Diana kümmern. Ich fand sie im Zelt und konnte Mr Bean davon überzeugen, dass sie »ihre Tage« hatte, »mit ganz starken Krämpfen«, und erreichte damit mein Ziel sofort. Mr Bean wollte nichts davon hören, war heilfroh, dass ich mich bereit erklärte, mich um sie zu kümmern, und erlaubte uns beiden eine Pause vom Überlebenstraining.
»Du hast also das kürzeste Streichholz gezogen«, stellte Diana fest, als ich ins Zelt kam.
Ich setzte mich neben sie. »Erraten«, sagte ich, weil es meistens ratsam war, auf ihren Sarkasmus einzusteigen.
Sie saß, die Beine mit den Armen umschlungen, auf ihrem Schlafsack und starrte mürrisch vor sich hin.
Ich machte einen Versuch, die Stimmung aufzulockern. »Und ich war die Einzige, die sich bereit erklärt hat, ohne Helm und schusssichere Weste das Zelt zu betreten.«
»Ich besitze keine Schusswaffe«, erwiderte sie todernst.
»Zum Glück«, entfuhr es mir und jetzt
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