Luegenprinzessin
Sache endlich vorbei war und ich zu Recht behaupten konnte, dass ich es mit ihm getan hatte.
Diana kam zurück und setzte sich wieder neben mich. »Schicke Brille«, meinte sie. Ich verdrehte die Augen. In dem Moment brach das Zelt in sich zusammen.
4
Wir vernahmen beide ein Geräusch über unseren Köpfen und sahen ungläubig zu, wie der weiße Stoff näher rauschte. Dann, wie auf Befehl, hechteten wir synchron nach vorne, gerade noch rechtzeitig, um den Eisenstangen auszuweichen, die hinter uns zu Boden donnerten.
Fluchend krochen wir unter dem Stoff hervor. Felix kam auf uns zugerannt. »Mia!« Seine Stimme klang richtig panisch.
»Geht schon«, rief ich. »Alles klar, Diana?«
»Klar wie Würfelsuppe. Was ist denn das für eine Scheiß-Konstruktion?«
Felix langte atemlos bei uns an. »Was habt ihr denn aufgeführt?«
Diana wollte gleich wieder aus der Haut fahren, doch dann sah sie mich an und sagte bloß: »Gar nichts.«
»Wir haben echt nichts gemacht, nur ganz ruhig drin gesessen und geplaudert.«
»Muss ja was ganz schön Welterschütterndes gewesen sein. Kesse Brille übrigens.«
»Um Gottes willen!« Na wunderbar, Auftritt Mr Bean. Und hinter ihm sah ich schon David. Mist, war das peinlich!
Nachdem Diana und ich Norbert und Willi geholfen hatten, das Zelt wieder aufzubauen – wozu Mr Bean uns verdonnert hatte –, bekamen wir endlich etwas zu essen. Käsesandwiches und Äpfel, die wir aus wasserdichter Folie auspackten.
»Die Äpfel mussten wir aus dem Fluss angeln«, informierte Chris uns. »Sind das Münder auf deiner Brille?«
Ich stöhnte. »Sag mir lieber, ob die Sandwiches auch im Fluss waren?«
»Die hingen am Baum.«
»Und du bist raufgeklettert?«, fragte ich mampfend.
Er warf mir nur einen Blick zu, der keinen Zweifel daran ließ, dass er selbstverständlich nicht auf den Baum geklettert war. Keine Ahnung, wie er es geschafft hatte, sich davor zu drücken, aber er hatte es sicher geschafft. Sport ist Mord, lautete seine Devise. Und was er nicht wollte, das machte er auch nicht. Die Lehrer ließen ihm viel mehr durchgehen als uns anderen, selbst Mr Bean drückte manchmal ein Auge zu, weil Chris so ein schlaues fleißiges Kerlchen war. Echt, bei Chris würde es mich nicht wundern, wenn er später mal den Nobelpreis bekam, egal in welcher Kategorie. Er war unheimlich gescheit, konnte Reden halten wie ein Politiker (einer von denen, die eben gut Reden halten können) und er war schlagfertig. Doch wenn irgendein Mädchen – mit Ausnahme von Diana, Vero und mir – ihn ansprach, dann fing er an zu stottern. Eigentlich total süß. Und die Mädchen, die nicht mit ihm in eine Klasse gingen, sprachen ihn durchaus an, er sah nämlich eigentlich ganz gut aus. Stupsnase, große braune Augen und einen hochgewachsenen, leicht schlaksigen Körper. Vom Aussehen her hätte er Felix’ Bruder sein können, doch ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten verhalfen ihnen zu einer vollkommen verschiedenen Ausstrahlung. Chris wirkte nachdenklich, ernst, kritisch, manchmal fast böse. Ich war mir sicher, dass die Mädchen, die ihn zum ersten Mal sahen, wussten, dass sie einen hochintelligenten Kerl vor sich hatten, mit dem es sich gut diskutieren oder auch philosophieren ließ. Einen Kerl, den man erst mal knacken musste, was natürlich eine Herausforderung darstellte. Umso größer war bestimmt die Enttäuschung, wenn er dann nichts anderes rausbrachte, als: »Ääääh, hallo… n-nein, wir kennen uns nicht von i-irgendwo…«
Bei Felix hingegen wurde man nicht enttäuscht. Man bekam, was man sah. Einen recht gut aussehenden, frechen langen Lulatsch, der weder die Welt noch sich selbst ernst nahm, was mir im Grunde genommen sogar gefiel, nur eben nicht immer. Irgendwann wurde es Zeit, sich weiterzuentwickeln. Was auf mich nicht minder zutraf, wenn ich ganz ehrlich war. Aber ehrlich war ich ja leider viel zu selten.
Ich stopfte mir gerade den letzten Bissen meines Sandwiches hinein, da beugte Felix sich zu mir. Wider meinen Willen verspürte ich ein Kribbeln zwischen den Schulterblättern, das alles andere als unangenehm war. Was war denn das jetzt? Nur weil Diana mich darauf aufmerksam gemacht hatte, dass ich auf ihn stand? Was natürlich glatter Unsinn war. Oder lag es daran, dass er vorhin, als das halbe Zelt auf mir parkte, so erschrocken meinen Namen gerufen hatte, ganz entgegen seiner sonstigen Art?
Er flüsterte: »Und? Hattest du Erfolg bei unserem Igelchen?«
»Mhm, passt wieder
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