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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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einen Freund hatte. Oder einen strenggläubigen Vater.
    Man hatte sie beide in einem Keller eingesperrt. Der Serienmörder hat sie gefoltert und die Leichen dann auf dem Times Square abgeladen. Oder war es beim Rockefeller Center? Nur, dass man Erin noch gar nicht gefunden hatte. Und keiner in der Schule weiß, wo man Zachs Leiche entdeckt hat.

    Vielleicht ist sie noch immer in dem Keller. So wie auch Zachs Ohren. Der Killer hat Andenken behalten.
    Die schlimmsten Gerüchte sind die über mich. Manche behaupten, ich hätte ihn umgebracht. Ich hätte beide umgebracht. Alle reden über mich. Sogar die Lehrer. Sie glotzen mich an. Manche sprechen nicht mit mir. Schneiden mich. Wenden den Blick ab und flüstern: Wir wissen ja, dass sie eine Lügnerin ist. Eine Schlampe. Dann ist es auch nicht mehr weit bis zum Mord.
    Lügnerin. Schlampe. Zicke. Mörderin.
    Ständiges Tuscheln.
    Da spielt es keine Rolle, dass auch über Brandon getuschelt wird. (Wenn auch nicht annähernd so viel.) Und über Sarah und Tayshawn. Haben sie tatsächlich miteinander geschlafen? Hat Zach das rausgekriegt und Tayshawn hat ihn versehentlich getötet? Aber das erklärt noch nicht die Sache mit Erin. Vielleicht hat Brandon die umgebracht? Eine Nachahmungstat, und jetzt wartet er nur darauf, bis er jemanden alleine erwischt, um es wieder zu tun.
    Es spielt keine Rolle, das nichts davon wahr ist. Je weniger wir wissen, desto wilder wird das Gerede.
    Alles, was wir haben, ist ein toter Junge, ein verschwundenes Mädchen und Gerüchte.
    Wie können sie so etwas über Sarah und Tayshawn sagen? Die beiden sind die beliebtesten Schüler an der ganzen Schule. Aber trotzdem müssen sie sich jetzt, während sie trauern, mit solchen bescheuerten Gerüchten herumschlagen.
    Die ganze Schule ist auf fieseste Weise aus dem Gleichgewicht geraten. Alle sind total daneben.

    Die Lehrer stolpern stotternd durch ihren Unterrichtsstoff. Die Schüler kehren immer wieder dazu zurück, über Zach und über Erin zu reden. (Und über mich und Tayshawn und Sarah und Brandon.) Sie versuchen, über die Schule zu reden, über Spiele, Fernsehen, ihren Freund/ ihre Freundin, worüber man halt so redet. Aber sie können nicht dabei bleiben. Zach. Erin. Sie müssen einfach darüber reden, spekulieren, es sich vorstellen und sich dabei so viel Angst einjagen, dass keiner mehr alleine zu Fuß nach Hause geht oder mit der U-Bahn fährt. Trotz des irren Verkehrs schicken die Eltern ihre Kinder mit dem Auto in die Schule und zurück.
    Alle fürchten sich davor, wer wohl der Nächste sein wird. Ich hoffe, Brandon. Aber im Moment können sie von mir aus alle zur Hölle fahren. Vor allem die, die mich eine Lügnerin, Schlampe, Zicke, Mörderin nennen.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass es je wieder aufhört.
    Ich werde immer in der Schule sein und angespannt und hoch erhobenen Kopfes so tun, als wäre mir das alles egal. Ich werde alles und jeden meiden. Nur wenn ich im Park laufe, hört das Pochen in meinem Kopf auf.
    So wird es für den Rest des Schuljahres sein. Ich wette, sie werden auch nächstes Jahr noch darüber reden, wenn es einen neuen Jahrgang von Seniors gibt und wir alle fort sein werden, wo auch immer es uns hinverschlägt.
    Bei den meisten hoffe ich, dass es die Hölle sein wird.
    Ich weiß nicht recht, wohin ich gehen werde. Ich habe Bewerbungsbögen ausgefüllt und abgeschickt, aber ich bin nicht sehr zuversichtlich. Bei CUNY, der City University of New York, habe ich wohl noch die besten Chancen. Obwohl ich mir nicht mal sicher bin, ob wir uns die
überhaupt leisten können. Ein Teil von mir wäre auch froh, irgendwo zu landen, wo noch niemand von Zach oder von dem, was mit ihm passiert ist, gehört hat. Irgendwo weit weg von New York.
    Wo immer ich hingehe, ich bezweifle, dass ich mit irgendjemandem von hier zusammen sein werde. Sarah wird auf irgendeine Elite-Uni gehen: Harvard oder Yale oder Princeton. Oder mindestens Vassar. Tayshawn wird am MIT sein und Brandon im Gefängnis. Ich werde keinen von ihnen je wiedersehen.
    Darüber bin ich froh.
    Glaube ich.
    Ich will nicht über Zach reden. Aber wie wird es sich anfühlen, wenn es gar nicht mehr möglich ist?
    Ich versuche, mir vorzustellen, wie ich auf dem College bin. Es gelingt mir nicht. Ich will immer noch Biologie studieren, ohne genau zu wissen, warum. Wenn alles nichts wird, dann kann ich wohl immer noch draußen auf der Farm arbeiten.
    Eine tolle Aussicht für den Rest meines Lebens.

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    In der

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