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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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einem leichten Haarflaum am ganzen Körper?
    Und dieses Fell ist zurückgekommen.
    Gleichzeitig mit dem ganzen Pubertätszeug habe ich plötzlich Haare an lauter falschen Stellen gekriegt.
    Zum Beispiel im Gesicht und am Bauch.
    Im Gesicht.
    Jawoll.
    Deswegen die Pille. Die hält neben meiner Periode und der Akne nämlich auch die Haare in Schach.
    Ohne sie wäre ich ein Freak.
    Obwohl ich das ja den anderen in der Schule zufolge ohnehin bin. Selbst mit der Pille lässt sich meine Abartigkeit nur unzulänglich verbergen. Aber dagegen gibt es eben keine Pille.
    Ich gebe meiner Familie die Schuld, dass sie mir ihre seltsame Art und die haarigen Gene aufgebürdet haben. Sie nennen es die Familienkrankheit. Würde ich aus einer anderen Familie stammen – aus einer normalen Familie –, dann hätte ich sie nicht.
    Meiner Großmutter muss ich zugutehalten, dass sie versucht hat, die Familienkrankheit abzuschwächen. Statt ihren Cousin Hilliard zu heiraten, hat sie die Farm verlassen, um einen Vater für ihr Kind zu finden. Großmutter war überzeugt, dass die ganze Heiraterei unter Cousinen
und Cousins für die Familienkrankheit verantwortlich war. Sie wollte ein Kind kriegen, dessen Vater so wenig verwandt mit ihr war wie nur irgend möglich.
    Großmutter ist nach San Francisco gegangen und wurde von einem schwarzen Seemann schwanger. Sie sagte, sie hätten eine Woche zusammen verbracht und er hätte Glücksspiele geliebt. Er war aus Marseille, sagte sie. Sein Englisch war nicht sehr gut. Das war alles, woran sie sich erinnern konnte. Sie war erleichtert, dass Dad nicht die Vorliebe fürs Glücksspiel geerbt hatte.
    Ebenso wenig wie die Familienkrankheit.
    Die hat man mir überlassen.

VORHER
    Einmal bin ich den Broadway entlanggegangen und habe dabei Gehwegsurfen gespielt. Dabei teste ich mich selbst, indem ich mich so schnell wie möglich bewege und durch die Leute schlängele, ohne dabei in einen Laufschritt zu fallen und ohne jemand zu streifen oder von anderen gestreift zu werden. Sobald ich jemanden berühre, muss ich zum Anfang des Blocks zurückkehren.
    Das ist das Spiel.
    Ich bin ziemlich gut. Wenn ich es spiele, denke ich an nichts anderes. Nicht an Zach und auch an sonst keinen.
    Ich spiele es immer nur auf belebten Straßen und Plätzen.
Broadway funktioniert gut. Aber Fifth Avenue ist auch okay. Times Square ist am besten.
    Diesmal war es Broadway. An einem Sonntag.
    Ich schlängelte mich durch die Leute und konzentrierte mich dabei auf die Muskeln meines Körpers und auf die Luft um mich herum. Es war, als wären diese paar Zentimeter Luft um mich auch ein Teil von mir. Eine extra Schicht. Antennen. Als würde ich mich im Raum ausdehnen.
    Wenn ich mich so ausbreite, kann ich unberührt und unbehelligt sauber Meile um Meile zurücklegen.
    Ich konnte alle um mich herum spüren, wie sie sich durch die Luft bewegten, konnte ihre Kleider und Taschen fühlen und wie sie mit den Armen schlenkerten, mit den Händen Getränkedosen umklammerten oder ihre Regenschirme schlossen, weil der Regen doch nicht kam, obwohl mich sein Geruch schon in der Nase kitzelte.
    Und dann starrte mich plötzlich jemand an, als ich an ihm vorbeihuschte. Er schaute mich direkt an. Ein Blick, der noch direkter war als der meiner Mutter. Eher so, wie mich die Oldies mustern.
    Ich zuckte zusammen und blieb stehen und wandte mich nach demjenigen mit den starrenden Augen um.
    Zwei Leute stießen mit mir zusammen. Sie fluchten. Ich entschuldigte mich.
    Es war ein weißer Junge. In meinem Alter, schätzte ich. Vielleicht jünger. Er war kleiner als ich und dünn.
    Er stand einfach da und glotzte mich an und stand da und glotzte.
    Dann rannte er los, so wie ich es tun würde. Und ich
war einfach zu baff, um ihm zu folgen. Wie hatte er das gemacht. Wie konnte er mich zuerst sehen?

NACHHER
    Ich zwinge mich, zur Schule zu gehen.
    Und ich bereue es fast sofort. Die ersten Worte, die ich höre, als ich die Eingangstreppe hinaufgehe: »Ich hab gehört, sie wurden mit einer Axt erschlagen.«
    Die Schule schwirrt nur so von Gerüchten über das, was mit Zach und Erin Moncaster passiert ist. Er ist tot und deswegen muss sie wohl auch tot sein.
    Es war ein Axtmörder.
    Ein Serienkiller.
    Ihr Vater ist strenggläubig. Er hat Erin und Zach zusammen ertappt. Wenn Zach was mit dieser Micah hatte, dann konnte er mit jeder was gehabt haben.
    Ihr Freund war es.
    Und all das, obwohl Zach und Erin sich überhaupt nicht gekannt hatten. Obwohl keiner wusste, ob sie

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