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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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Menschenstamm und das Wolfsrudel nicht mehr zu unterscheiden waren. Und nach ein paar weiteren Jahren waren sie alle teils Wolf und teils Mensch.
    Das sind alles interessante Geschichten, aber ich bezweifle, dass sie wahr sind.
    Ich glaube vielmehr, es ist:
    Horizontaler Gentransfer.
    Einer hat braune Augen und die Fähigkeit, seine Zunge
zu rollen, und seine Kinder haben braune Augen und können ihre Zunge rollen. Dann hat derjenige seine Gene weitervererbt, so wie Gene normalerweise weitergegeben werden: vertikaler Gentransfer.
    Aber Gene können auch horizontal von einem Organismus zum nächsten weitergegeben werden. Das nennt man HGT. Ich weiß, dass es keinen dokumentierten Fall von HGT zwischen großen Organismen gibt. Menschen und Wölfe sind groß. Jeder hat mindestens 23.000 verschiedene Gene, weit mehr als Bakterien und Viren, die manchmal nicht mehr als acht haben. Aber wenn es zwischen Bakterien möglich ist, warum kann es dann nicht auch zwischen größeren Organismen geschehen? Wenn eine Tomate die Gene einer Fruchtfliege in sich haben kann oder, noch bedeutsamer (weil die Gene der Fruchtfliege ja nur durch den Eingriff des Menschen in die Tomate gelangt sind), wenn Kühe bestimmte Gene einer Pflanze annehmen können, weil es ihrer Verdauung hilft, warum kann das dann nicht auch bei Wölfen und Menschen passieren?
    Wobei ich natürlich nicht nur über ein einziges Gen spreche, sondern über viele. Da wäre zuerst mal das eine Gen (oder die Gene), das die Verwandlung ermöglicht. Ein Gen, von dem noch keiner je gehört hat – geschweige denn, es isoliert hat. Dann sind da noch alle Wolf-Gene, die zur Ausprägung kommen, wenn ich ein Wolf bin, und die Menschen-Gene für meine menschliche Erscheinung.
    Bleibt noch die Frage, warum? War es möglicherweise ein Weg, Gene zu erhalten – die Wolf-Gene –, die von der Auslöschung bedroht waren? Das würde die canis dirus- Werwölfe erklären. Und zunehmend auch die canis lupus- Variante.
Obwohl es noch überall graue Wölfe gab, als die Werwölfe zum ersten Mal auftraten. Es gibt andere Tiere, die ungefähr so groß sind wie Menschen, die seither ausgestorben sind. Gibt es vielleicht auch Wersäbelzahntiger?
    Ich würde am liebsten meine eigene DNA analysieren. Was würde diese Analyse ergeben? Menschen haben zu 85 Prozent dieselbe DNA wie Wölfe. Und was habe ich? 95 Prozent? Oder 99? Oder habe ich dieselben 85 Prozent wie alle anderen auch? Zusammen mit versteckter Werwolf-DNA?
    Wenn ich Wissenschaftlerin bin – Biologin mit dem Spezialgebiet Wölfe –, dann werde ich das herausfinden. Ich werde meine eigene DNA analysieren. Heimlich. Ich werde den HGT beweisen. Dass wir vor Millionen von Jahren durch horizontalen Transfer von Genen entstanden sind.
    Es sei denn, es war ein Virus. Etwas, das die DNA von einem meiner Vorfahren angegriffen und massive Mutationen ausgelöst hat mit dem Ergebnis instabiler Gene, die sich sowohl als Wolf als auch als Mensch ausprägen können.
    Es gibt so vieles, was ich nicht weiß und was ich auch Yayeko nicht fragen kann, ohne ihre Augenbrauen in astronomische Höhen hochschnellen zu lassen.
    Warum gehöre ich zur Gattung canis lupus, während die meisten Werwölfe zu canis dirus gehören? Stimmt das überhaupt? Wie finde ich andere Menschen, die so sind wie ich? Bedeutet das, dass es zwei verschiedene Arten von Werwölfen gibt? Oder vielleicht noch mehr? Gibt es afrikanische Werwölfe der Gattung canis simensis, dem einzigen afrikanischen Wolf? Oder canis rufus- Werwölfe?
Oder sind die beide zu klein? Es gibt viele bekannte Unterarten der Wölfe. Gibt es zu jeder Werwölfe? Oder nur zu denen, die ungefähr menschliche Größe haben?
    Ich weiß nicht, woher ich komme. Oder was ich bin. Ich weiß nicht einmal, wie ich bin. Ich weiß gar nichts.

VORHER
    Die echte Verwandlung kam dann vier Wochen nach dem falschen Alarm. Die Warnzeichen waren dieselben, aber diesmal ignorierte ich sie. Ich wollte nicht in diesem Käfig sitzen und von Stunde zu Stunde dreckiger und genervter und unglücklicher werden.
    Das erste Anzeichen war meine angespannte Haut auf dem Weg zur Schule. Es juckte genauso wie beim falschen Alarm. Ich ging weiter. Es fühlte sich nicht so schlimm an. In der Pause war da ein kleines bisschen Blut. Ein Fleck, genau wie beim letzten Mal. Ich rechnete mir aus, dass ich, selbst wenn die Verwandlung diesmal echt war, noch genügend Zeit hatte, den Schultag hinter mich zu bringen und nach Hause zu laufen.
    Genau

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