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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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dachten.
    Das waren schöne Tage. Ich wünschte, sie könnten zurückkehren. Ich wünschte – ich wünschte mir sehr häufig –, dass ich nicht das wäre, was ich bin und wer ich bin. Dass die Familie von meinem Vater nur ein paar schrullige Landeier wären. Alles außer dem, was sie in Wirklichkeit sind.
    Es war schön, eine Zukunft zu haben.
    Ich will sie wiederhaben.

VORHER
    Wann ich Zach zum letzten Mal gesehen habe? Das war, wie schon gesagt, nicht dort oben in der Zypresse.
    Es war am Dienstag, bevor er gestorben ist. Ich hatte den ganzen Tag miese Laune. Ich war sauer auf ihn, auf die Schule, auf meine Eltern, auf die Welt.
    Wie ich inzwischen weiß, ist das auch eines der Anzeichen. Eines, das die Oldies nie erwähnt haben: Das Gefühl, dass die Nerven blank liegen, dass alles quer steht und nie wieder funktionieren wird. Ich hätte den ganzen Tag laut losschreien können. Eindeutig ein Anzeichen, dass die Verwandlung einsetzen würde, aber so fühle ich mich an den meisten Tagen meines Lebens. Deswegen war ich nicht vorgewarnt.
    »Wollen wir Samstagabend was zusammen machen?«, fragte Zach.
    Am liebsten hätte ich ihn als Antwort angeknurrt. Stattdessen sagte ich: »Mal sehen.«
    Er teilte mir schon die Einzelheiten mit, wo und wann. Ich war voller Gift und Galle und dachte: Er hört mir gar nicht zu. Ich hab gesagt: »Mal sehen«, und nicht »Ja«. Er glaubt, dass ich einfach so alles mache, was er will. Noch bevor ich den Mund aufmachen konnte, um ihm das zu sagen, war er schon weitergegangen, um ganz sicherzugehen, dass uns keiner zusammen reden sah.
    Das war das letzte Mal, als ich Zach gesehen habe.
    Nicht sehr romantisch, was? Mir blieb keine Zeit für einen letzten Blick oder einen Abschiedskuss.
    Ich stürmte los in Richtung Bibliothek. Ich hatte eine Freistunde – Studienzeit. Ich klappte mein Biologiebuch
auf – direkt bei einem Bild von einem Wolf – und schlug es mit einem Knall wieder zu.
    »Micah!«, sagte Jennifer, die Bibliothekarin.
    »Sorry«, murmelte ich, schob meine Bücher in den Rucksack zurück und stürmte nach draußen. Auch raus aus der Schule. Da hielt ich es keine Sekunde länger aus. Meine Haut passte nicht mehr. Mein Kopf tat weh. Meine Augen. Alle machten mich verrückt.
    Ich war schon weit auf meiner Laufroute im Central Park, als mein Rückgrat anfing, sich in die Länge zu ziehen. Ich stolperte, beugte mich vornüber und sah meine haarigen Handgelenke aus meinen Ärmeln hervorschauen. Da wurde mir klar, dass ich die Pille vergessen hatte. Es war zu spät, um noch nach Hause zu kommen. Ich war weit oben im Norden des Parks, fast schon in Harlem. Ich rannte weiter Richtung Norden, rannte den ganzen Weg bis nach Inwood. Als ich den Park dort endlich erreichte, war ich bereits auf allen vieren und hatte einen Schwanz.
    Fuck.
    Als ich wieder auftauchte – nackt und blutverschmiert –, hatte ich keinen Schimmer, wo mein Rucksack war. Ich wusch mich, so gut es ging, mit Wasser aus dem Fluss und machte mich dann auf die Suche nach Kleidern. Glücklicherweise war es in den frühen Morgenstunden und noch dunkel und die Straßen waren leer. Glück auch, dass ich in Inwood war, einem der wenigen Teile Manhattans, wo es noch ein paar einzeln stehende Häuser und Gärten und Wäscheleinen gibt.
    Ich klaute Klamotten von einer, zog mich an und ging dann zu Zachs Haus und kletterte seine Feuerleiter hinauf,
durch sein Küchenfenster – das extra für mich offen blieb – und in sein Zimmer.
    Aber Zach war nicht da.
    Ich legte mich auf sein Bett, wartete und schlief ein. Wachte um 3 Uhr früh auf und er war immer noch nicht da. Schlief wieder ein.
    4 Uhr früh. Shit. Sollten seine Eltern nicht an diesem Morgen zurückkommen? Ich rief von seinem Festnetz auf seinem Handy an. Keine Antwort. Ich überlegte, ob ich eine Nachricht hinterlassen sollte und dass Sarah sie finden könnte.
    Dann war ich wieder auf der Straße und lief den ganzen Weg zum Central Park barfuß.
    Ja, auch wenn der noch geschlossen war. Das hatte ich schon öfter gemacht. Zwischen 1 Uhr und 6 Uhr früh. Das sind die besten Stunden zum Laufen. Ich hatte es sogar schon mit Zach gemacht. Man muss sich an die weniger belebten Wege halten, wo keine Nachtwächter sind. Ich dachte, er wäre vielleicht laufen gegangen, und wenn nicht, dann hatte ich jedenfalls das Bedürfnis, mich zu bewegen und die ganze beim Warten aufgestaute Energie loszuwerden. Außerdem war ich noch nicht so weit, dass ich nach Hause gehen und

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