Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
Vom Netzwerk:
meinen Eltern gegenübertreten konnte. Ich war noch nie von zu Hause weggeblieben. Sie mussten wissen, was passiert war. Sie würden … nun ja, ich wollte lieber nicht daran denken, was sie tun würden.
    Und da habe ich ihn gefunden.
    Es.
    Jetzt weiß ich, dass er es war, aber das wusste ich damals nicht. Mir war nicht einmal klar, dass es eine Leiche war.

    Jedenfalls keine menschliche.
    Und ganz sicher nicht Zachs.
    Ich habe es zuerst gerochen. Blut riecht salzig, dick und metallisch, aber ich habe nicht nur Blut gerochen – es war, als wäre eine Toilette explodiert. Eklig, wie es mir in die Nase stieg und mir den Magen umdrehte.
    Ich verlangsamte den Schritt, dann stolperte ich – ich fiel nicht, sondern rutschte nur ein wenig – und hörte auf zu laufen.
    Da war eine Menge Blut. Es war dunkel, aber das Licht reichte aus, um das zu sehen, und dazwischen kleine Stücke von … Fleisch? Nichts erkennbar Menschliches. Nichts irgendwie Erkennbares. Da war kein Gesicht. Wie soll man jemanden erkennen, der kein Gesicht mehr hat?
    Ich dachte, ich müsste mich übergeben. Ich rutschte noch einmal aus, als ich mich umdrehte und weglief. Blut an meinen bloßen Füßen. Ich wischte sie beim Laufen am Gras ab.
    Jetzt wollt ihr wissen, warum ich es niemandem erzählt habe, oder?
    Was hätte ich denn erzählen sollen? Ich wusste ja nicht, dass es ein Mensch war. Ich wusste nicht, was es war. Weggeworfenes Fleisch aus einem Restaurant? Nein, das Blut war zu frisch. Die Überreste eines Opfertieres von irgendeinem Irren, ein Schwein oder eine Ziege?
    Irgendein anderer würde es finden und melden in der Zeit, in der der Park tatsächlich geöffnet war.
    Das hab ich mir selbst gesagt. Außerdem bin ich ja eine Lügnerin, schon vergessen?
    Ich krieg oft Ärger. Meistens wegen Sachen, die ich nicht getan habe.

    Ich kann nicht erwarten, dass man mir glaubt. Ich bin das Mädchen, das zu oft »der Wolf, der Wolf« gerufen hat.
    Meine Eltern hätten mir nicht geglaubt. Oder falls doch, dann hätten sie geglaubt, dass ich es war.
    Die Bullen hätten mir nicht geglaubt.
    Sie hätten wissen wollen, was ich dort gemacht habe. Ich habe die Leiche so gegen halb fünf morgens gefunden. Das Blut roch frisch. Das hätten sie bestimmt wissen wollen. Es bedeutete, dass er noch nicht lange tot war. Ich hätte ihnen bei ihren Untersuchungen helfen können.
    Sie hätten wissen wollen, was ich außerhalb der Öffnungszeiten im Park zu suchen hatte. Wie es dazu kam, dass ich die Leiche gefunden habe. Ich, die ihn kannte. Ich, die seine Zweit-Freundin war. So ein Zufall! Sie hätten geglaubt, dass ich etwas damit zu tun hatte.
    Nicht, was ich hätte sagen können, hätte sie vom Gegenteil überzeugt.
    Aber ihr meint später , oder? Warum habe ich es nicht gemeldet, als ich erfahren hatte, dass Zach tot ist, und mir klar wurde, was ich da gesehen hatte?
    Aber es war mir nicht klar. Ich wusste es nicht, bis Tayshawn mir das mit den Hunden erzählt hat. Und da war es zu spät. Als die Polizei bereits den Autopsiebericht hatte.
    Es war mir einfach nicht in den Sinn gekommen, dass diese blutverschmierte Masse da einmal ein Mensch gewesen war.
    Dass es einmal Zach gewesen war.

MEINE GESCHICHTE
    Ihr wollt wissen, warum ich ihn nicht gerochen habe? Warum ich nicht gemerkt habe, dass es Zach war? Ich hab ja schon gesagt, dass ich problemlos riechen konnte, dass das Blut frisch war. Warum habe ich also nicht gemerkt, dass es Zachs Leiche war?
    Ihr habt recht. Ich bin ein Wolf. Mein Geruchssinn ist hervorragend. Selbst wenn ich ein Mensch bin.
    Aber nicht, wenn ich mich gerade erst zurückverwandelt habe. Dann ist alles falsch verdrahtet. So rum und andersrum. Manchmal höre ich dann mit den Fingern. Rieche mit den Ohren. Lauter so komische Geschichten. Es dauert Stunden, manchmal einen ganzen Tag, bis alles wieder normal ist.
    Ich hatte mich gerade erst zurückverwandelt. Ich hab nur das Gröbste gerochen: Blut, Innereien. Aber nicht viel mehr.
    Und der Geruch ist mir nicht in Erinnerung geblieben. (Gott sei Dank.)
    Deswegen wusste ich es nicht.

NACHHER
    »Was soll ich mit dir gemacht haben? Wie meinst du das?«, schreie ich den Jungen an, als wir uns dem Fuß des Hügels nähern. Wir laufen weiter. Ich weiß nicht, warum ich
ihn mir nicht vorknöpfe, ihn zu Boden werfe, seine Arme festhalte und ihn zu meinen Eltern zerre. Seht ihr? Der hier ist der Mörder, nicht ich.
    »Du bist genau wie ich«, sagt der Junge. Er hat einen komischen Akzent. Nicht aus New

Weitere Kostenlose Bücher