Luegst du noch oder liebst du schon Roman
ich und ergebe mich in mein Schicksal.
Nachdem Knopfauge uns nebeneinander platziert hat, versuche ich, meine langen Beine unter dem flachen Etwas unterzubringen, das den Namen Tisch nicht im Mindesten verdient. Wenn ich sie ausstrecke, schauen sie am anderen Ende wieder heraus, wenn ich sie anziehe, ist in spätestens einer halben Stunde die Blutzirkulation unterbrochen.
Während ich mich verrenke, um eine halbwegs akzeptable Position zu finden, vertieft sich Samira (sie wirkt völlig entspannt, gehört sie zu der Gattung der Schlangenmenschen?) in die Speisekarte. Ich höre »Ah« und »Oh«, es scheint, als sei meine Begleiterin in ihrem Element. Ob es Franca hier auch gefallen würde?
»Bist du öfter hier?«, frage ich und stopfe alle Kissen, derer ich habhaft werden kann, in meinen Rücken. Die Bandscheiben, die Bandscheiben!
»Nur zu besonderen Gelegenheiten«, antwortet sie geheimnisvoll und legt mir ihre Hand auf den Arm. »Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst schon wieder so angespannt.«
Kunststück - ich werde diesen Abend ja auch vermutlich nicht überleben.
»Ich, äh, muss bestimmt nur etwas essen und ein Glas Wein trinken, dann ist alles gut«, beeile ich mich zu versichern, schließlich will ich nicht als Schwächling dastehen.
Nachdem wir bestellt haben und Knopfauge Papadams sowie verschiedene Dips vor uns hingestellt hat, befühlt Samira meine linke Brust. Ihre gerunzelte Stirn signalisiert, dass das keine Form des Vorspiels ist, sondern eine Untersuchung. Die Stelle, auf der sanft ihre Hand ruht, erwärmt sich binnen Sekunden. Was wird das hier? Eine nicht abgesprochene Reiki-Session? Entspannung durch Handauflegung? Holt sie jetzt gleich die violette Brille aus der gigantischen Beuteltasche?
Samira streicht eine ihrer dunklen Locken aus dem Gesicht, die ihr bis eben sexy in die Stirn gefallen ist. So sexy, dass ich kaum Lust habe, woanders hinzuschauen,
auch wenn uns gegenüber eine zauberhafte Blondine sitzt, die trotz ihres attraktiven Begleiters immer wieder zu mir herüberblinzelt.
»Dein Herz-Chakra ist gestört«, diagnostiziert sie.
»Ist das was Schlimmes?«, frage ich beunruhigt und überlege reflexartig, ob ich einen guten Kardiologen kenne. Kann dieser Tag noch beschissener werden? Eine kleine, spontane Bypass-Operation wäre doch eigentlich die logische Konsequenz.
»Keine Sorge, das ist nicht gefährlich. Außerdem habe ich ein …« - Kramen in der Riesentasche - »… wunderbares Gegenmittel dabei!«
Ehe ich mich dagegen wehren kann, besprüht Samira mich mit etwas, das verdächtig nach Rosen duftet. Feiner Nebel senkt sich auf mein Hemd, und ich muss niesen.
Ich hab’s nicht so mit Rosen. Hatte ich noch nie!
»Was, zum Teufel …?«, frage ich aufgebracht und schnappe mir die Flasche. Ich lese »Aura-Spray« und »Erzengel Chamuel«. Wer in drei Gottes Namen ist bitte Chamuel? Verwirrt durchforste ich mein mageres Wissen aus dem Religionsunterricht, komme aber nur auf Michael, Gabriel und Raphael.
»Nun mach nicht so ein Gesicht, als wollte ich dich umbringen«, lacht Samira (toll, dass wenigstens einer von uns beiden Spaß hat!) und nimmt mir das Fläschchen mit dem roten Etikett aus der Hand. »Im Gegenteil. Ich öffne dein Herz-Chakra, und Chamuel unterstützt mich dabei.«
»Äh, wobei genau?«
»Das ätherische Öl bewirkt Linderung von Verletzungen
aus deiner frühen Kindheit. Es hilft, Menschlichkeit und Mitgefühl in dein Leben zu lassen, genauso wie bedingungslose Liebe.«
»Ich hatte aber eine schöne Kindheit«, protestiere ich. Allmählich wird es mir zu bunt. Können wir nicht einfach in Ruhe essen und dann zu mir, um dort entspannt eine Runde zu vögeln?!
Doch Samira ist nicht mehr zu bremsen:
»Man hat mit diesem Spray schon tolle Ergebnisse bei Kühen und Erdbeeren erzielt«, erklärt sie stolz.
»Erdbeeren haben ein Herz?«, frage ich verstört und bin froh, dass Knopfauge in diesem Moment unser Essen serviert - Variationen von Gemüse in Currysauce aus dem Wok.
Samira lacht schon wieder, ich muss heute Abend ja mächtig komisch sein.
»Nein, haben sie nicht, auch wenn sie herzig aussehen. Die Essenz fördert bei Früchten das Wachstum und die Resistenz gegenüber Schädlingen.«
Na, du bist mir auch so ein Früchtchen!
»Und was hat es mit den Kühen auf sich?«
»Bei denen hilft es gegen Euterentzündung!«
Ich verschlucke mich an einem Stück Blumenkohl.
»Sei mir nicht böse, aber ich glaube, für heute habe ich genug. Genießen
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