Luegst du noch oder liebst du schon Roman
um als ich. »Franca, welch ein Zufall«, sagt er in freundlich-neutralem Ton. Jetzt kommen wir nicht umhin, uns reihum miteinander bekannt zu machen. Sobald Mia begriffen
hat, dass der Oliver vor uns steht, knufft sie mich in die Seite.
»Und woher kennt ihr beide euch?«, fragt sie Amelie und Oliver mit unschuldigem Augenaufschlag.
»Frau Künzelmann leitet die Marketing- und Vertriebsabteilung meines Verlags«, beeilt Oliver sich zu erklären. »Wir haben heute Abend hier gegessen, um die Verkaufsstrategie für mein neues Buch zu besprechen. Ich bin übrigens überrascht, dich hier zu sehen, Franca. Wie war’s in München, hat alles geklappt?«
Amelies Mundwinkel haben sich bei Olivers Worten nach unten verzogen, offenbar gefällt ihr die Erklärung ihres Begleiters nicht. Und es scheint ihr ebenfalls nicht zu passen, dass wir beide uns kennen. Sie geht prompt in die Offensive, um ihr Revier (oder was sie dafür hält) zu markieren:
»Nun, das meiste haben wir ja schon besprochen. Ich denke, dass wir gleich aufbrechen und noch irgendwo etwas trinken gehen werden, wo es ein bisschen … privater ist. Nicht wahr, Oliver?«
Den letzten Teil des Satzes betont sie so stark, dass sie ihm auch gleich ein »Besetzt«-Schild um den Hals hängen könnte.
In mir brodelt es.
Das Ganze bedeutet im Klartext, dass der werte Herr Kramer sich stante pede nach Ersatz umgesehen hat, sobald ich in München war. Oder vielmehr nicht war, aber sei’s drum!
»Komm, Mia, lass uns gehen. Ich habe Hunger, und die vergeben unseren Tisch, wenn wir zu spät kommen.
Schönen Abend noch allerseits«, sage ich und lächle so souverän wie möglich in die Runde. Dann zerre ich Mia, die sich kaum von Olivers Anblick lösen kann, hinter mir her.
Ihr entfährt ein ehrfürchtiges »Wow!«, als wir an der nächsten Straßenecke stehen bleiben, wo wir außer Hörund Sichtweite sind. »Das nenne ich mal einen echt guten Fang!«
»Schade nur, dass alle anderen Frauen das auch so sehen«, gebe ich schnippischer zurück als beabsichtigt.
»Hey, ich will ihn dir nicht wegnehmen. Ich kann jetzt nachvollziehen, warum du dich sofort in ihn verknallt hast, das ist alles.«
»Aber das weiß ich doch«, lenke ich ein und drücke kurz Mias Hand. »Verrätst du mir bitte, wer diese Amelie Künzeldingsbums ist und was da zwischen den beiden läuft?«
Den Rest des Wegs legen wir im Eiltempo zurück. »Du wirst es nicht glauben, aber sie hat vor fast zwei Jahren ein Praktikum bei mir gemacht. Sie studierte damals BWL und wollte mal in mein Business reinschnuppern. Offenbar hat sie sich jetzt in der Verlagsbranche etabliert. Du machst dir doch ihretwegen keine Sorgen?«
Aber natürlich, was denn sonst?!
»Hast du denn nicht gehört, wie sie betont hat, dass sie mit Oliver per Du ist? Und hast du nicht mitbekommen, dass Oliver von ihr als Frau Künzelmann gesprochen hat, mit der er etwas Geschäftliches besprechen muss?«
Hm, auch wieder wahr …
Ich versuche, während des köstlichen Essens beim Thailänder, zu dem Mia mich netterweise einlädt, nicht daran zu denken, ob Amelie es schafft, Oliver zu bezirzen. Der im Bananenblatt gebackene Lachs mit Pak-Choi-Gemüse ist viel zu gut, um mir den Genuss durch Grübeleien verderben zu lassen. Wenn Rolf erst in den USA ist, werden mir solche Momente nur noch selten vergönnt sein.
»Aber eins verstehe ich nicht«, sagt Mia und schiebt ihren leeren Teller zur Seite. »Hast du nicht erzählt, dass Oliver beruflich nicht besonders gut dasteht? Wieso sitzt er dann mit der Marketingleiterin seines Verlags beim Abendessen? Solche Ehren werden normalerweise nur Erfolgsautoren zuteil, oder irre ich mich da?«
Ich überlege. Was genau hat Oliver mir noch mal erzählt? Irgendetwas von ein paar mäßig erfolgreichen Titeln in einem unbekannten Verlag. Eigentlich wollte ich die Bücher googeln …
Mia amüsiert sich köstlich darüber, dass ich ihn noch nicht im Netz recherchiert habe.
»Schätzchen, das macht man doch als Erstes, wenn man jemanden kennenlernt. Dann weißt du sofort, ob er sich bei Xing, Facebook, MySpace und so weiter herumtreibt. Und mit ein wenig Glück findest du sogar ein paar Kinderbilder von ihm.«
»Du weißt, dass ich von diesen Dingen nichts halte«, wende ich ein. »Ich glaube daran, dass Menschen ihre Geschichten selbst erzählen sollten, und zwar zu dem Zeitpunkt, wenn sie es für richtig halten. Diese gläserne Welt finde ich schrecklich! Wo bleibt denn da der
Zauber? Das
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