Luegst du noch oder liebst du schon Roman
Ahnung, weshalb ich dermaßen auf sie abfahre. Sie hat irgendetwas an sich, das mich total umhaut.«
»Tja, so ist das in der Liebe. Tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber dieses Gefühl wird dich noch eine Weile begleiten, wenn es dir wirklich ernst ist mit Franca.«
Nachdem ich mich von Dominic verabschiedet habe, strecke ich mich erschöpft auf dem Sofa aus.
Natürlich hat er recht - es ist höchste Zeit, mit Franca reinen Tisch zu machen. Bestimmt hat sie Verständnis, wenn ich ihr erkläre, wie ich in diese Sache hineingeschlittert bin. Und was ist denn bislang schon passiert? Ich habe ein wenig geflunkert und mich beruflich kleiner gemacht, als ich bin. Wenn Franca meinen Namen
nicht googelt, kann ich doch nichts dafür. Außerdem könnte man meine Haltung auch positiv als Bescheidenheit interpretieren. Ich protze eben nicht mit meinen Auflagenzahlen und den Rängen in der Bestsellerliste.
Was meine familiäre Situation betrifft, so wiegt diese Lüge natürlich sehr viel schwerer. Aber ich habe meine Frau immerhin nicht sterben lassen. Und Lucia gibt es wirklich, wenn auch mit dem kleinen Unterschied, dass sie meine Patentochter ist.
Am besten schreibe ich Franca einen Brief.
Oder eine Postkarte.
Eine E-Mail?
Als ich jedoch meinen Account öffne, konzentriert sich meine Aufmerksamkeit zunächst auf eine Nachricht von Patricia Hardeland:
Lieber Herr Kramer,
Herr Gruber und ich möchten uns nochmals ganz herzlich für die engagierte und aufwendige Präsentation in unserem Hause bedanken. Der Außendienst war beeindruckt von Ihrer Persönlichkeit, Ihrer Professionalität und der Themenfülle, die das neue Buch ganz offenbar bietet. Dennoch wurde am zweiten Tag unserer Konferenz (hier steigen wir in kleinerer Runde tiefer in die Materie ein) auch ein wenig Kritik laut. Die Frage, die uns in diesem Zusammenhang am meisten beschäftigt, ist, ob ein Mann Ihres »Kalibers« die geeignete Person ist, Lesern und Leserinnen realistische und umsetzbare Ratschläge zu geben.
Verstehen Sie uns bitte nicht falsch: Wir lieben Ihr Buch und freuen uns, wie tatkräftig Sie sich in die Partnersuche gestürzt, alle verfügbaren Möglichkeiten ausprobiert und ausgelotet haben. Was wir jedoch dabei übersehen haben - und daran gibt sich insbesondere die Verlagsleitung die Schuld - ist, dass ein attraktiver Mann wie Sie auf dem Singlemarkt natürlich Erfolge erzielt, wie sie anderen vielleicht nicht so leicht möglich sind. Wir haben bereits anlässlich unseres letzten Treffens darüber gesprochen, dass wir Zweifel haben, ob Sie wirklich der richtige Autor für dieses Thema sind …
An dieser Stelle halte ich einen Moment die Luft an. Ich bin dermaßen wütend, dass ich ohne Skrupel in das Büro von Patricia Hardeland und Simon Gruber stürmen und sie ermorden könnte.
Wer hat mir denn bitte diesen Auftrag erteilt?
Wer hat meine Bedenken im Hinblick auf die zahllosen Konkurrenztitel in diesem Themenbereich abgetan und darauf bestanden, das Projekt trotzdem anzugehen?
Wer hat meinen Alternativ-Themenvorschlag, nämlich »Krisengipfel - Positiv denken und handeln in schweren Zeiten«, abgelehnt?
Und das alles nur, weil Partnerschaftsratgeber angeblich boomen und der Verlag sich schnelles und leicht verdientes Geld erhofft?!
Aus diesem Grund würden wir Sie bitten, darüber nachzudenken, doch das von Ihnen vorgeschlagene Buch »Krisengipfel« zu schreiben und den ursprünglichen Stoff
freizugeben. Melden Sie sich bitte, wenn Sie in aller Ruhe über unseren Vorschlag nachgedacht haben.
Mit freundlichen Grüßen aus der Hafencity,
Patricia Hardeland & Simon Gruber
Ich starre auf den Bildschirm und denke nach. In aller Ruhe, so wie gewünscht. Und aus dieser Ruhe heraus schreibe ich exakt fünf Minuten später zurück:
Liebe Frau Hardeland, lieber Herr Gruber, gern gebe ich den Buchstoff »frei«. Sie können (gegen ein entsprechendes Entgelt) mit meinem Material arbeiten, wenn Sie mögen. Was unsere weitere Zusammenarbeit betrifft, erlaube ich mir, eine kleine Auszeit zu nehmen. Ich werde (fernab von Hamburg) in aller Ruhe überlegen, welche Themen mich in Zukunft interessieren könnten.
Bis dahin wünsche ich Ihnen beiden alles Gute und eine erfolgreiche Buchsaison.
Hochachtungsvoll,
Oliver Kramer
Ich sehe zu, wie sich meine Mail ihren Weg durch den Postausgang bahnt, und lehne mich mit verschränkten Armen zurück. Mit einem Schlag bin ich ein freier Mann. Unabhängig, finanziell gut aufgestellt und
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