Luegst du noch oder liebst du schon Roman
meine Mutter sich zu einem kurzen Schläfchen zurückziehen. Denn gerade als ich mich ebenfalls auf dem Bett ausstrecke, signalisiert mein Handy den Eingang einer SMS.
Sie ist von Oliver.
Hoffe, Du bist gut in Hamburg gelandet und kommst mit Deinem Projekt voran. Hier ist alles wie gehabt.
Der Ziegenbock hält Ausschau nach Dir. Offenbar vermisst er Dich. Ich übrigens auch!
Mein Herz schlägt schneller, als ich diese Zeilen lese. Ich bin schlagartig hellwach und könnte Bäume ausreißen, Berge erklimmen und Rekorde brechen. Habe ich eben tatsächlich geweint?
Das Mobiltelefon liegt verführerisch auf der Bettdecke,
es wäre jetzt ein Leichtes, Oliver anzurufen. Doch ich bin ja eine Businessfrau, die gerade ein megawichtiges Problem zu lösen hat, und kann deshalb nicht einfach plaudern, wenn mir danach ist. Beschäftigte Karrierefrauen haben ihr Handy nur selten an. Wozu hat der liebe Gott schließlich die Mailbox erfunden?
Ich muss also mindestens eine Karenzzeit von drei Stunden verstreichen lassen, ehe ich mich bei ihm melden kann.
Mann, Mann, Mann - diese Lügerei! Das muss ein Ende haben!
»Was ist denn nun der Anlass?«, will ich wissen und versuche, die Antwort von Mias Gesicht abzulesen. Ein freundlicher und äußerst smarter Kellner serviert Champagner und zwinkert mir charmant zu, während er sanft perlenden Roederer ausschenkt und die Flasche anschließend in einen mit Eis gefüllten Kübel stellt.
»Ich werde heiraten«, verkündet Mia, worauf ich mich an meinem Champagner verschlucke und kleine Bläschen in meine Nase steigen.
»Du wirst was?«, frage ich halb entsetzt, halb amüsiert.
Das kann doch nur ein Scherz sein!
»Ich werde HEIRATEN«, buchstabiert Mia das Wort, als sei ich Schülerin der ersten Klasse oder Analphabetin.
»Julius Humbert?«, stoße ich zwischen zwei Niesattacken hervor. Jetzt weiß ich, weshalb man sagt, dass Champagner prickelt.
»Guck mal!«, fordert sie mich auf und streckt mir ihre rechte Hand entgegen. Am Ringfinger funkelt ein geschmackvoller, ziemlich großer Stein, umfasst von Platin.
»Ist das etwa ein Diamant?«, presse ich atemlos hervor, denn so etwas kenne ich nur aus Filmen.
»Natürlich! Schon Marilyn hat gesungen ›Diamonds are a girls best friend‹. Womit sie meiner Meinung nach eindeutig recht hat.«
Obwohl ich eigentlich nicht zu solchen Empfindungen neige, verspüre ich auf einmal ein wenig Neid. Nicht auf den Ring - so etwas Wertvolles möchte ich gar nicht haben -, aber auf den Antrag, den Mia bekommen hat.
Natürlich ist eine Ehe keine Garantie für dauerhaftes Glück, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Aber das Versprechen, sowohl an guten als auch an schlechten Tagen füreinander da zu sein, hat trotzdem etwas sehr Schönes und Tröstliches.
Ich denke an Oliver.
Wie es wohl wäre, den Rest meines Lebens mit ihm zu verbringen?
22
Viva la vida!
OLIVER KRAMER -
SAMSTAG, 12. JUNI, BIS SONNTAG, 13. JUNI
Wie gern wäre ich jetzt mit Franca hier!
Seufzend nippe ich am Rest meines Drinks und lasse den Blick übers Meer schweifen: Die Nacht ist sternenklar, die Luft angenehm mild, und ich bin umgeben von attraktiven, gut gelaunten Menschen, die in diesem Strandclub feiern, als gäbe es kein Morgen mehr. Das Purobeach Oasis Del Mar ist die derzeit wohl angesagteste Location auf der Baleareninsel, und ich bin zum ersten Mal hier. Ich rekle mich in einem ausladenden Rattansessel im Kolonialstil unter einem Sonnenschirm. Um mich herum flackern die Kerzen der Windlichter, weiße Stoffbahnen tanzen im Sommerwind sanft zu den Rhythmen der Musik.
Ob es Franca hier wohl gefallen würde?, frage ich mich und beobachte die Club-Besucher, die ausnahmslos chic, stylish, aufgekratzt und amüsierwillig sind. Ich kann mir lebhaft den spöttischen Zug um ihren Mund vorstellen, höre im Geist ihre ironischen Kommentare. Sie hat wirklich ein unglaubliches Talent, mit
wenigen Worten alles auf den Punkt zu bringen. Ja, Franca ist eine kritische, aber vor allem äußerst intelligente Frau, der man nicht so leicht etwas vormachen kann.
Es sei denn, man behauptet Vater einer sechsjährigen Tochter zu sein …
Während ich meinen Mojito trinke, bedauere ich es fast, dass ich die Finca nach Francas Abreise ebenfalls verlassen habe und in das Puro Hotel an der Cala Estancia - einer Mini-Halbinsel vor Palma - umgezogen bin. Eigentlich war Can Naranja ein Traum, nur eben ein bisschen einsam.
Zeit, den Tatsachen ins Auge zu sehen: Offenbar kann ich
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