Luegst du noch oder liebst du schon Roman
Aufgabe in der Kanzlei muss ich mich wieder neu sortieren. Dann noch die Windpocken und Oliver on top - das überfordert mich einfach.«
Mia sieht mich traurig an.
»Ich finde es schade, dass du Oliver im gleichen Atemzug mit Krankheiten und Existenzängsten nennst. Bist du denn noch gar nicht auf die Idee gekommen, dass eine neue Liebe auch etwas Beflügelndes haben kann? Schau mich an!«
»Du vergisst aber, dass ich Oliver immer noch nicht die Wahrheit über Sammy gesagt habe«, gebe ich zu bedenken. Offenbar sucht ein Teil von mir nach wie vor krampfhaft nach einer guten Begründung für meinen inneren Rückzug.
»Ja, ja, ja … wenn du dir ordentlich Mühe gibst, fallen dir bestimmt noch tausend andere Dinge ein, die verhindern, dass du glücklich wirst. Wenn es dir damit besser geht, okay. Aber jammere mir später nicht die Ohren voll, wenn du Liebeskummer hast, weil Oliver eine andere Frau gefunden hat!«
»Sei nicht sauer!«, versuche ich einzulenken. Das fehlte gerade noch, dass ich mich mit meiner besten Freundin zerstreite.
»Süße, ich bin nicht sauer, ich mache mir nur Sorgen. Ich möchte eben, dass es dir gut geht und du glücklich bist, das ist alles. Und als deine Freundin ist es praktisch meine Pflicht, dir zu sagen, wenn du Mist baust.«
Nach dem Gespräch mit Mia und einem kurzen Plausch mit Sengül gehe ich gedankenverloren nach Hause. Meine Freundin hat absolut recht - ich blockiere mich gerade selbst. Das muss ein Ende haben!
Als ich die Wohnungstür aufschließe, ist meine Mutter gerade am Telefon:
»Bleiben Sie bitte einen Augenblick dran, Herr Kramer, ich glaube, sie kommt soeben durch die Tür …«
Mein Herzschlag beschleunigt sich, und ich zittere, als ich das Telefon entgegennehme.
»Peters«, melde ich mich förmlich.
»Hallo, Franca, hier ist Oliver.« Endlich! Ich habe mich so sehr nach seiner Stimme gesehnt. Ich nehme den Apparat mit in mein Zimmer und schließe die Tür. Hoffentlich kommt Sammy nicht herein!
»Wie geht es dir? Du musst ja mächtig beschäftigt sein,
wenn du noch nicht einmal Zeit hast, auf meine SMS zu antworten.«
»Tut mir leid«, antworte ich, »aber hier war tatsächlich die Hölle los. Ich hätte mich auf alle Fälle heute Abend gemeldet, das stand schon fest in meinem Kalender.«
»Aha. Du betrachtest ein Telefonat mit mir als eine Art Pflichttermin.«
Ups, das Gespräch droht gerade in eine ungute Richtung abzugleiten.
»Nein, so war das natürlich nicht gemeint«, versichere ich hastig. »Das Dumme ist nur, dass zusätzlich zum Jobstress auch noch meine Mutter bei uns zu Besuch ist, und du weißt ja, wie das mit Müttern ist. Man liebt sie, aber …«
»Wen meinst du mit uns?«, fragt Oliver irritiert.
Okay! Jetzt oder nie - das ist meine Chance, endlich von Sammy zu erzählen!
»Habe ich uns gesagt? Ich meinte natürlich bei mir. Seit meine Mutter hier ist, denke ich die ganze Zeit nur noch in der Mehrzahl.«
Mist, das kann doch nicht wahr sein! Da bin ich ja wieder geradewegs in die Lügenfalle getappt, ich Idiotin!
Oliver lacht.
»Die Irritation, die die Anwesenheit von Müttern hervorruft, kenne ich nur allzu gut! Irgendwie bleibt man auch als Erwachsener immer Kind. Wo lebt deine Mutter denn?«
»In … München … in der Nähe des Englischen Gartens.«
O mein Gott, warum das denn? Ich reite mich ja mit jedem weiteren Wort tiefer in den Mist hinein!
»Willst du mir damit sagen, dass du eigentlich gebürtige Münchnerin bist, dich aber bislang als Hamburgerin getarnt hast?«, fragt Oliver und klingt amüsiert.
»Nein. Ich bin wirklich hier geboren. Meine Mutter brauchte nach dem Tod meines Vaters einen … Tapetenwechsel, und außerdem bekommt ihr das … Klima dort besser. Du weißt schon, die Wärme, die nahen Berge und so.«
Als stünde ich nicht sowieso schon knietief im Lügenmorast, kommt plötzlich Sammy zur Tür herein und sieht mich neugierig an.
»Aber hat sie kein Problem mit dem Föhn dort?« »Nein, sie braucht keinen Föhn, sie trägt nämlich einen Kurzhaarschnitt und lässt die Haare lufttrocknen«, antworte ich vollkommen verwirrt und versuche, Sammy aus der Tür zu schieben, der sich bockig zur Wehr setzt. Wo ist eigentlich meine Mutter, und warum sorgt sie nicht dafür, dass ich in Ruhe telefonieren kann?
Oliver lacht, als hätte ich einen grandiosen Witz gemacht, und fragt dann, ob ich in der Woche irgendwann Zeit habe. »Wir könnten an die Elbe fahren, ich mache uns einen Picknickkorb zurecht, und
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