Luegst du noch oder liebst du schon Roman
setze ich mich wieder auf die Couch. Ich habe das untrügliche Gefühl, meine Theorie stimmt.
Aber das würde im Klartext bedeuten, dass ich Franca - die wunderbarste Frau aller wunderbaren Frauen - für immer verloren habe!
29
Let me entertain you!
FRANCA PETERS - DIENSTAG, 29. JUNI
»Franca, beeil dich, wir kommen sonst zu spät!«, ruft meine Mutter, während ich im Badezimmer mit meiner widerspenstigen Frisur kämpfe. Ich gebe entnervt auf. Dann muss es heute - anlässlich der Schulaufführung meines Sohnes - eben ein schlichter Pferdeschwanz sein. Ich schlinge ein Küchengummi um meine Haare, schnappe mir die Kühltasche, und eine Minute später fällt die Tür hinter uns ins Schloss.
Im Schulhof ergattern wir die letzten Klappstühle in der hintersten Reihe, als die Direktorin Urte Glockenbauer das Mikro ergreift: »Liebe Kinder, liebe Eltern, liebe Familien«, beginnt sie ihre Ansprache, während meine Augen die Bühne nach Sammy absuchen. Vor der Rückwand des frei stehenden Podests sind Paravents aufgestellt, hinter denen vermutlich in dieser Minute an die dreißig Zweitund Drittklässler stehen und vor Aufregung bibbern.
Ich weiß nicht, für wen es schlimmer ist: für die Kids, die Eltern oder die Lehrerin, die für das Gelingen dieses Tages die Verantwortung trägt.
Zum Glück ist das Wetter heute gut, denn die Aufführung findet nicht wie sonst in der Aula statt. Im Anschluss wird ein Grillfest veranstaltet - und in zwei Tagen beginnen die großen Ferien.
Frau Glockenbauer fasst in launigen Worten das vergangene Schuljahr zusammen und gibt einen Ausblick auf das folgende: »Wie Sie alle wissen, sind unsere finanziellen Mittel leider auch diesmal wieder knapp, weshalb wir Sie ermuntern möchten, die neuen Klassenräume ihrer Kinder während der Ferien selbst zu renovieren. Ich lasse gleich eine Liste herumgehen, in der sich bitte alle Eltern eintragen, die mitmachen können. Je mehr, desto weniger Arbeit haben natürlich alle.« Sie lacht unsicher, vermutlich fühlt sie sich nicht recht wohl in ihrer Haut angesichts dieser Forderung.
Ich habe keine Ahnung, wie ich das auch noch in meinem Zeitplan unterbringen soll, versuche aber, den Gedanken schnell wieder zu verdrängen, denn ich bin ja schließlich hier, um den Auftritt meines Sohnes zu bestaunen.
Doch bevor es so weit ist, sind erst einmal die Vorschulkinder dran: Sie tanzen auf dem Kunstrasen, der auf der Bühne ausgerollt wird, einen sogenannten Sommertanz. Sie sind als Urlauber verkleidet und schmücken sich mit den dazugehörigen Accessoires: Sonnenhüten, Schwimmreifen, Gummitieren, überdimensionalen Sonnenbrillen, Flossen an den Füßen. Ein Junge tanzt unter einem Moskitonetz. Man sieht den Kleinen die Nervosität an, denn sie stolpern unsicher hin und her, kichern, glucksen und purzeln wild durcheinander. Ein besonders
niedliches Mädchen, das für eine Art Hula-Hoop-Tanz mit dem Schwimmreifen vorgesehen war, gibt bereits nach der ersten Minute auf. Nachdem der Reifen dreimal von ihren zarten Hüften gefallen ist, hat sie die Nase voll und setzt sich einfach hinein und bleibt dort bis zum Ende der Aufführung sitzen. Ich grinse, während meine Mutter leise vor sich hin kichert.
»Noch lachst du, aber warte ab, was Sammy womöglich einfällt«, flüstere ich scherzhaft, denn mein Sohn ist erfahrungsgemäß ebenfalls ein Kandidat für diese Art von Protestaktionen.
Doch bei den Grundschulkids läuft alles wie am Schnürchen: Die erste Klasse führt pannenfrei ein Mini-Theaterstück auf, und die Schüler der zweiten und dritten Klasse tanzen zu der Musik von … ja, von wem eigentlich? Ich habe keinen blassen Schimmer! Auf alle Fälle tragen die Tänzer gruselige Masken und sollen einen Teil der Unterwelt darstellen, auch wenn der quietschgrüne Kunstrasen überhaupt nicht zu den Kostümen passt. Offenbar hat der Trend zu Vampiren und Werwölfen auch hier nicht haltgemacht, und so folge ich mit großem Vergnügen einer wirklich beeindruckenden Darbietung mit Gothic-Einschlag.
Sammy (unter der Maske eines Orks, dennoch erkenne ich ihn sofort) bewegt sich zu meinem Erstaunen, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. Anscheinend trägt er ein echtes Tänzer-Gen in sich. Woher er das bloß hat?
Ich bin diesbezüglich eher mäßig talentiert, und mit Ralf zu tanzen kam jedes Mal einer Katastrophe gleich.
Meine Mutter ergreift meine Hand und drückt sie, während ich vor Stolz beinahe platze. Wieso hat mir Sammy
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