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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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sich. »Ich will nicht mehr. Ich hab schon eben während des Zuges zwei, drei
getrunken. Das reicht mir.«
    Olaf spitzte die Finger, fischte eine Erdnuss aus der Schale und
warf sie ihm ins Gesicht.
    »Dir schmeckt wohl unser Gemünder Bier nicht mehr, was? Oder
trauerst du dem bayrischen Bier deiner Studentenzeit hinterher?«
    »Keine Angst, mein Freund. Das Kölsch hier schmeckt immer noch am
besten.«
    Olaf legte seine Stirn in Falten und kräuselte die Lippen. Er sah
aus wie ein chinesischer Faltenhund. »Du weißt, wir legen hier Wert darauf,
dass unser Obergäriges kein Kölsch ist, sondern Gemünder!« Olaf hatte den
gleichen Ton wie in seiner Rolle als Stadtführer angeschlagen, in die er alle
vier Wochen für einen Haufen Nationalparktouristen schlüpfte.
    »Lassen Sie es stehen. Es wäre vergeudet, Herr Ettelscheid. Ihre
Beförderung ist alles andere als sicher. Zumindest, solange ich derjenige bin,
der Ihre Dienstakte prüft.« Die Stimme schnitt aus dem Hintergrund durch die
Töne der Blaskapelle.
    Steffen fuhr herum.
    Die zu große Jacke im englischen Landhausstil und das rote
Seidentuch ließen den Mann lächerlich aussehen. Der Hass in seinen Augen aber
war beängstigend. Steffen erstarrte.
    »Prutschik!«
    »Ganz richtig, Ettelscheid, ganz richtig«, keckerte der. »Erinnern
Sie sich?« Er rieb sich die Hände und fingerte nach seiner Aktentasche, die vor
ihm auf dem Tisch gelegen hatte. »Bestimmt erinnern Sie sich!«
    Steffen öffnete den Mund, so als ob er etwas erwidern wollte. Dann
schluckte er und wandte sich von Prutschik ab. Sein Blick flog zwischen mir und
Olaf hin und her. Schließlich packte er sein Glas, trank einen Schluck. Dann
noch einen.
    »Du hast recht, Olaf, Gemünder Bier ist doch das beste.«
    »Wenn du meinst«, murmelte der und hob ebenfalls sein Glas.
    Ich beobachtete an Steffen vorbei die Reaktion des Mannes. Er
drängelte sich aus der Bank und stellte sich an die Stirnseite unseres Tisches.
    »Was ist, Ettelscheid?« Er stützte sich mit den Handknöcheln ab.
»Soll ich Ihnen auf die Sprünge helfen?«
    »Ich würde gerne sagen, dass ich mich freue, meinen alten Lehrer
nach so langer Zeit in unserer gemeinsamen Heimat wiederzutreffen. Aber ich
lüge nur ungern, Herr Prutschik. Es ist schon schlimm genug, wie sich unsere
Wege immer wieder kreuzen müssen. Leider gibt es nicht so viele
Forsthochschulen in Deutschland, als dass ich Ihnen hätte ausweichen könnte,
auch wenn mir das sehr lieb gewesen wäre.«
    »Dreist, arrogant und unverschämt – so kenne ich Sie, Ettelscheid.
So waren Sie als Student, und so sind Sie heute immer noch. Ich habe mich
erkundigt über Sie! Erkundigt!« Kleine Tropfen sprühten aus seinem Mund,
während er sprach. »Sie haben sich nicht verändert, und ich habe es auch nicht
von Ihnen erwartet.«
    »Bitte gehen Sie, Herr Prutschik. Oder sind Sie extra hergekommen,
um sich mit mir über meinen Charakter zu unterhalten?«
    »Ihr Charakter, Ettelscheid, ist nicht der Rede wert. Ihre Taten
schon. Vor allem Ihre Missetaten.«
    Der Frauenkegelclub war verstummt und verfolgte reglos den Streit
der beiden Männer. Die Blicke der Frauen flogen zwischen den beiden
Kontrahenten hin und her und ließen keinen Zweifel an der Sympathielage.
    »Es war nicht meine Missetat, sondern Ihr Unfall, Herr Prutschik.
Ich hatte damit nichts zu tun.«
    »Oh, sind Sie da so sicher, Ettelscheid? So sicher?« Prutschik zog
eine Mappe aus seiner Aktentasche, öffnete den Knopfverschluss und legte
einzelne Blätter vor uns auf den Tisch. Ich erkannte den Briefkopf einer
Polizeibehörde aus dem Süddeutschen.
    »Ich habe hier den Polizeibericht vom 28.03.2002 der Stadt
Weihenstephan. Ich zitiere.« Er hob sich auf die Zehenspitzen, wippte und
räusperte sich. »… vor dem Hochschulgebäude verletzt aufgefunden. Das Opfer,
Professor Prutschik, erlitt schwere Verletzungen am Schädel, am Rücken und an
beiden Händen.« Prutschik setzte die Brille ab und geiferte Steffen an. Sein
Glasauge schimmerte im Licht der Festbeleuchtung.
    Steffen stand auf und holte tief Luft. Ich sah, wie schwer es ihm
fiel, ruhig zu bleiben.
    »Sie haben den Vorgang bei der Polizei so zu Protokoll gegeben. Es
gab keinen Zeugen. Es gab keinen Überfall. Von mir nicht und von niemand
sonst.« Steffen blickte auf den Professor hinunter. Dann drehte er sich zu uns
herum. »Ich gehe jetzt, Olaf. Morgen wird ein harter Tag werden.« Er deutete
eine Verbeugung an und lächelte mir zu. »Ina.« Dann wandte er

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