Luftschlösser
Kopfzerbrechen. Was ihr dagegen Schwierigkeiten machte, waren Charles’ regelmäßige Anrufe, die sehr höflich und freundlich verliefen, sie aber immer mit diesem beängstigenden Stechen in der Herzgegend zurückließen. Persephone selbst schob das auf den Zeitdruck, den sie sich selbst und ihrer Arbeitsweise zu verdanken hatte.
Auch an diesem Abend klingelte pünktlich um acht ihr Telefon und Charles Manning meldete sich gewohnt entspannt.
„Guten Abend, Persephone.”
„Hi, Charles”, brachte sie hervor und schaffte es gerade noch, ein Gähnen zu unterdrücken.
„Hattest du einen schweren Tag?”, erkundigte er sich mitfühlend.
„Nicht mehr als sonst. Und du?” Sie hielt es für angeraten, sich an die Regeln des Smalltalks zu halten.
„Ich bin heute wieder in New York gelandet und sitze hier in meinem Hotelzimmer. Wenn du möchtest, können wir uns treffen, um deine Anliegen zu besprechen. Wann hast du Zeit?”
„Morgen Vormittag”, antwortete Persephone hastig. Sie hatte glatt verschwitzt, dass Charles seinen Aufenthalt in Toronto inzwischen beendet hatte.
„Okay, sehr gern. Weißt du noch, wo sich unsere Mütter früher immer verabredet haben? Im Park?” Man konnte das Lächeln, das er bei der Erinnerung im Gesicht hatte, förmlich hören.
Natürlich erinnerte Persephone sich. Wie könnte sie das jemals vergessen? „Ja”, entgegnete sie stattdessen knapp.
„Wunderbar. Können wir uns bitte dort treffen? Ganz casual, meine ich, ohne Anzug und den üblichen Geschäftsquatsch”, bat Charles ruhig.
Ein Geschäftstermin, der nicht danach aussehen sollte. Bitteschön, des Kunden Wille war sein Himmelreich.
„In Ordnung. Halb zwölf an der alten Parkbank?”
„Ich freue mich. Bis morgen und schlaf’ gut, Persephone”, verabschiedete sich Charles fröhlich und unterbrach die Verbindung, bevor er sich eine bissige Antwort einfangen konnte.
Sie starrte ungläubig auf das Display. Wie konnte er nur so tun, als wären sie noch immer gute Freunde?
***
Der Tag hatte beschlossen, sich von seiner schönsten Seite zu zeigen. Strahlender Sonnenschein und sommerliche Temperaturen zogen viele Menschen nach draußen. Dass auch Persephone deWinter zu ihnen gehörte, nahm Trish ihr ein wenig übel, weil sie selbst wieder einmal nur das Telefon bewachen und die Mails checken durfte.
„Ich bedauere dich, wenn ich wieder da bin”, bemerkte Persephone ohne echtes Mitleid. Sie war aus unerfindlichen Gründen nervös, Charly ausgerechnet an ihrem alten Platz in einem kleinen Park in der Nachbarschaft zu treffen.
„Danke, Perry. Du bist zu gut zu mir”, gab Trish grinsend zurück. „Und jetzt schwirr’ schon ab.”
Die paar Blocks bis zum Park legte Persephone zu Fuß zurück. Der Park selbst hatte sich in den letzten Jahren kein Stück verändert. Alle Bäume und Sträucher standen noch an ihrem Fleck und schienen sie wie eine alte Bekannte zu grüßen. Sie lief den sandigen Weg entlang und stand schon nach ein paar hundert Metern neben der hölzernen Parkbank, die sie noch zu gut in Erinnerung hatte. Charles war schon da. Er hatte den Kopf zurückgelegt und die Augen geschlossen. Seine Arme hatte er rechts und links neben seinem Körper auf der Rückenlehne abgelegt. Er schien die Sonne in vollen Zügen zu genießen, vollkommen in sich ruhend und selbstsicher. Persephone stand regungslos da und besah ihn sich eingehend. Die rötlich schimmernden Locken trug er inzwischen zurückgekämmt. Unter seinem T-Shirt zeichneten sich straffe und wohldefinierte Brust- und Bauchmuskeln ab. Das Gesicht mit den hohen, ausgeprägten Wangenknochen war in diesem entspannten Zustand noch anziehender als sonst. Da ihr der Blick auf seine hellblauen Augen verwehrt war, blieb Persephone an seinen Lippen hängen - sinnlichen Lippen mit einem äußerst ausgeprägten Bogen in der Oberlippe.
„Persephone! Tut mir leid, dass ich vor mich hingedöst habe. Stehst du schon lang da?” Charles hatte erst ein Auge geöffnet, dann auch das andere und war letztendlich in eine aufrechte Position gerückt.
„Nein, ich... ich bin gerade erst angekommen.” Sie fühlte sich ertappt, weil sie ihn angestarrt hatte. Garantiert hatte er das irgendwie bemerkt. Wie überaus peinlich!
„Setz’ dich zu mir. Ich habe dir einen Tee mitgebracht.” Er nahm zwei Pappbecher von der Sitzfläche neben sich und wies mit dem Kopf auf den frei gewordenen Platz. Während seine Sephi auf die Bank zuging, schaute er sie kurz, aber
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