Luftschlösser
vorzustellen, doch es stand außer Frage, dass hier ‘etwas Großes’ entstehen konnte, wie ihr Vater immer zu sagen pflegte. Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit.
Sie schaltete das Licht an und begutachtete das, was einmal Charlys Arbeitszimmer werden sollte, dann nahm sie ihre Kamera aus der Handtasche und hielt diesen Arbeitsschritt in Bildern fest. Auf diese Weise arbeitete sie sich durch das gesamte Apartment. Während sie das Bad im unteren Geschoss auf ihre Speicherkarte bannte, klingelte ihr Telefon.
„Hallo, ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist. Oder gibt es Probleme?”
Charles. Hatte er übersinnliche Fähigkeiten?
„Hallo, Charles. Nein, es gibt absolut keine Probleme. Ich stehe gerade im unteren Stockwerk deiner Wohnung und bin sehr zufrieden mit dem Fortschritt. Möchtest du, dass ich dir Bilder maile?” Persephone war um Freundlichkeit bemüht.
„Nein, auf keinen Fall. Ich werde dieses Apartment nicht betreten, bevor du mit allem fertig bist. Ich möchte mich überraschen lassen.” Eine kurze Pause. „Weil ich weiß, dass du das großartig machen wirst.”
Sie setzte sich auf den breiten Fensterstock. Charlys letzter Satz hatte so liebenswert aufrichtig geklungen, wie sie es bei ihm nie für möglich gehalten hatte. Das war nicht der unreife Junge, der sie damals verlassen hatte. Dieser Charly war erwachsen geworden. Unter anderen Umständen hätte sie wohl bedauert, dass sie nichts weiter als Geschäftspartner waren. So bedauerte sie lediglich, dass er nicht mehr sprach, denn seine tiefe Stimme war selbst in ihren Ohren wie Musik.
„Ich habe heute die Bodenbeläge ausgesucht und meinen Lieferanten dabei fast in den Wahnsinn getrieben. Es hat sehr lang gedauert, bis ich etwas Passendes für deine Bäder gefunden hatte. Über einige andere Details möchte ich gern mit dir persönlich sprechen, wenn du wieder in der Stadt bist.” Vielleicht animierte ihn das zu einer ausgedehnten Antwort.
Charles lachte am anderen Ende der Leitung. „Dann bin ich wohl indirekt für einen Nervenzusammenbruch verantwortlich. Vielleicht sollte ich mich bei deinem Lieferanten entschuldigen. Mir hat heute dieser Footballhengst das Leben schwer gemacht. Unterste Schublade, aber ein Benehmen, als würde sich die Sonne um ihn drehen. Eigentlich ist er nicht mein Klient, aber mein Kollege war auf einer Tagung, also musste ich einspringen. Lieber zehn verhuschte Filmstars als einen Sportler, kann ich nur sagen. Du kannst mich übrigens jederzeit anrufen. Ich möchte, dass du das weißt. Wann immer du eine Frage oder Idee hast, werde ich sie beantworten oder einfach zuhören, Seph... Persephone.”
„In Ordnung. Rufst du mich an, wenn wir uns treffen können?”, fragte Persephone ruhig. Sie wollte wissen, ob sie ihren ersten Eindruck korrigieren musste. Sollte er sich in den fünfzehn Jahren tatsächlich so verändert haben?
„Selbstverständlich. Ich rufe dich an, sobald ich wieder in meinem Hotelzimmer angekommen bin. Versprichst du mir, dass du mir nicht zu viel über die Einrichtung verraten wirst?” Für seine letzte Frage hatte Charles seine Stimme noch ein wenig gesenkt.
Persephones freie Hand krampfte sich um den Henkel ihrer Handtasche. Diese plötzliche Hitze zwischen ihren Schenkeln hatte sie trotz ihres vorgerückten Alters noch nie gefühlt. Nach all den Jahren. Das konnte nicht sein. Es durfte nicht sein!
„Sicher. Kein Problem. Ich werde dir nichts erzählen, das du nicht wissen möchtest.”
„Vielen Dank, Persephone. Gute Nacht und viel Erfolg weiterhin.”
Klang er immer so oder flirtete er? Sie ignorierte seinen Tonfall. „Danke. Bis bald.”
Während Persephone sich nach diesem Gespräch noch eine ganze Zeit lang an ihrer Tasche festhielt und hoffte, dass der Schmerz in ihrer Brust schnell nachließ, freute sich Charles in Toronto über den Verlauf des Gesprächs. Die unterkühlte Fassade seiner alten Bekannten würde früher oder später Risse bekommen. Es konnte doch nicht sein, dass das niedliche kleine Mädchen sich vollständig in Luft aufgelöst hatte.
Den Abend verbrachte Persephone deWinter inmitten von Farbkarten und Musterbüchern namhafter Tapetenhersteller. Sie wollte erst die Kleckerei an den Wänden erledigt haben, bevor sie die Verlegung der Böden veranlasste. Um eine ordentliche Treppe ins obere Stockwerk musste sie sich auch noch kümmern. Möbel mussten ausgesucht werden. Und Bilder für die Wände... Über diesem Gedanken schlief
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